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Okt. 2012

Werte Leserinnen und Leser,
es fällt mir es etwas schwer, den Schwerpunkt dieser FANZINE-KURIER-Ausgabe auszumachen: Die Besprechungen der Publikationen aus der XUN-Redaktion? Die umfangreiche EXODUS 29-Rezension, möglicherweise zusammen mit der über PHANTASTISCH! 47? Ohne abwertend sein und gewisse Entwicklungen ignorieren zu wollen, ist es die Besprechung eines elektronischen Fanzines wohl nicht. Doch lest selbst!
Viele Grüße
Armin Möhle



XUN 28
COMIC REPORT 2012
EXODUS 29
INTRAVENÖS 212
PHANTAST 6: APOKALYPSEN
XUN TASCHENBUCH DER FANTASTIK 8
PHANTASTISCH! 47
 


XUN 28
100 Seiten DIN A 5, Seitenbindung, ISSN 1862-7552.

Auflage: unbekannt, 4,50 EUR, 3er-Abonnement 14,50 EUR, 5er-Abonnement 24,00 EUR.
Kontakt: Bernd Walter, Michelsbergstr. 14, 74080 Heilbronn, E-Mail: xun@xun-online.de.
Internet: www.xun-online.de.

Eine gute, interessante und unterhaltsame Mischung“ verspricht Herausgeber Bernd Walter im Vorwort der 28. Ausgabe von XUN.
Und in der Tat, kann auch diese Ausgabe des unermüdlichen Storymagazines sich sehen bzw. lesen lassen. Elf Geschichten sind es diesmal, einige Rezensionen und Grafiken sowie ein längerer Artikel des Schweizer Publizisten Flocco Tausin. Das ist natürlich ein Pseudonym und man mag darüber rätseln, ob der Autor sich seiner Thesen und Vorstellungen so wenig sicher ist, dass er sie unter einem Pseudonym veröffentlicht. In „Die Leuchtkugel am Ende des Tunnels“ geht es um Nahtoderfahrungen und sogenannte „Mouche Volantes“. Das sind Glaskörpertrübungen, die auch bei der menschlichen Wahrnehmung vorkommen können. Manchmal treten sie in solcher Häufigkeit auf, dass sie als störend wahrgenommen werden und behandelt werden müssen. Für Flocco Tausin sind sie allerdings der Ausgangspunkt für die spirituelle Überzeugung eines Lebens nach dem Tod, die er aus den Lehren des im Emmental wirkenden Sehers Nestor gewinnt. Was man dafür als bare Münze nehmen will, muss jeder für sich entscheiden. Der Artikel beginnt wissenschaftlich neutral, referiert verschiedene Erklärungen für Nahtoderfahrungen bevor er dem spirituellen Pfad folgt – den ich nicht bereit bin mit zu gehen. Aber als Einblick in die Denkwelten des Spiritismus ist er höchst interessant.
Kommen wir aber nun zu dem, was XUN wirklich ausmacht: den Geschichten. Sie sind von den Themen, der Länge und auch vom Stil wieder sehr unterschiedlich. Aber es gibt kaum Ausreißer nach unten.
Mark-Denis Leitner schildert mit „Morgen sieht die Welt schon anders aus“ die Auswirkungen einer unheimlichen Paragabe, denen sich nicht einmal der Träger bewusst zu sein scheint. Sie zwar ein wenig kitschig umgesetzt, aber die Idee trägt die Geschichte zu einem gutem Ende.
Seelenpfand“ von Alisha Bionda gibt dieser Ausgabe von XUN auch den Titel. Es ist eigentlich keine Geschichte, sondern die Wiedergabe zweier innerer Monologe, die sich zum Teil auch noch stark wiederholen. Es ist eine Liebesgeschichte, deren phantastischer Gehalt der Phantasie des Lesers überlassen bleibt, denn es bleibt unklar, ob bloß eine psychische Abhängigkeit oder wirklich Vampirismus im Spiel ist.
Einfache Mittel sind immer noch die besten. Zumindest rettet ein sehr einfaches Mittel in der Geschichte von Susanne Ulrike Maria Albrecht ein Königreich vor dem Untergang. Da der König seinen Untertanen Frohsinn und Heiterkeit verboten hat, bringt „Der mystische Vogel“ eben diesen zum Lachen. Eine unaufgeregte märchenhafte Geschichte, deren Botschaft so offensichtlich ist, dass sie nicht mehr extra benannt werden muss. Immerhin findet sich am Ende der Geschichte noch ein Link zu weiteren Informationen und Werken der Autorin.
Informationen, die man bei der folgenden Geschichte schmerzlich vermisst. Sie stammt von Krzysztof Dabrowski (aus dem Polnischen übersetzt von Anna J. Henke). Der Ich-Erzähler schildert die Beziehung zu seinem „Brrüderchen“. Gerade das Ende der Geschichte legt nahe, dass die kurze Erzählung auf einem wahren Hintergrund beruhen könnte oder ob mit dem Ende der sonst handlungsarmen Geschichte ein emotionales gegeben werden sollte.
Sabine Barnickel schildert in „Bernstein“ die Sorgen und Nöten eines jungen Vampirs. Der Handlungsverlauf bleibt etwas unentschlossen, aber die Story ist so angelegt, dass man sie auch als typische Pubertätsgeschichte lesen kann.
Eine der besten Geschichten dieser Ausgabe liefert Andrè Schuchardt mit „Das geheimnisvolle Verschwinden des Herrn Ghambaris“. Hier stimmt einfach alles: die ungewöhnliche Idee der Geschichte, die flotte, manchmal etwas technokratische Sprache sowie eine Rahmenhandlung, die die Tragik der Story noch verstärkt.
W. Berner führt uns dann ein weiteres Mal in das Land des Nebelmondes, die dem seine drei Protagonisten unter fremden Sonnen Abenteuer erleben. In der 19. Folge entspannt sich die Situation für die Abenteurer etwas und der Leser erfährt mehr über die Hintergründe der Geschichte. Oder vielleicht werden auch nur ein weiteres Mal erzählt. Als unregelmäßiger Leser ist das nicht so einfach zu beurteilen.
Apatheia oder wer stirbt heute“ lässt die Dystopie schon im Titel vermuten. Guido Seifert schildert eine postapokalyptische Welt in der Jugendband die älteren Stadtbewohner terrorisieren. Auffällig sind die detailreichen Schilderungen und eine Dialogsprache, die die Gewaltbereitschaft wunderbar transportiert. Und wenn der Alte dann mit seiner Knarre doch hinunter auf die Straße geht fühlt man sich fast an GRAN TORINO von Clint Eastwood erinnert. Letztlich eine Geschichte, die mehr durch Stilistik und Sprache überzeugt als durch die Storyidee.
Sandra Tiemann greift ein alter irisches Gesetz aus dem 17. Jahrhundert auf. Damals glaubt man, in weißen Schmetterlingen seien die Seelen toter Kinder gefangen. Dementsprechend war es verboten, diese Tiere zu töten. Ihr Protagonist räumt mit diesem Aberglauben auf, so dass wieder Kinder geboren werden. Das Höllenloch am Ende der Geschichte ist etwas dick aufgetragen, aber sonst ist Sandra Tiemann eine lesenswerte Geschichte mit historischem Hintergrund gelungen.
Der Vampirismus macht auch vor der Geschichte von Andrea Gunschera nicht halt. Als überhaupt kein „Winternachtsmärchen“ erweist sich die Rettung eines angeblich hilflosen kleinen Mädchens aus einer kalten Winternacht. Ist sie doch gar nicht so hilflos und wahrscheinlich auch nicht klein. Gut und routiniert umgesetzt aber ohne große neue Ideen.
Und auch die letzte längere Geschichte des Heftes von Harald Weissen variiert ein bekanntes Thema. Diesmal ist es ein parapsychologisch begabter Held, der durch Zweikämpfe zu Ruhm kommen möchte und die Hoffnung in sich trägt, seinem von Progerie gezeichneten Bruder helfen zu können. Natürlich ist das alles nicht so einfach und Harald Weissen bestätigt mit dieser Story, dass manche Geschichten und ihre Personen ihren Raum brauchen, um sich entfalten zu können.
Einige Rezensionen u. a. von Alisha Bionda und Gunter Arentzen sowie leider viel zu wenige Illustrationen, diesmal u. a. von Chris Schicht, Christel Scheja, Harry Messerschmidt und Norbert Reichinger, komplettieren diese XUN-Ausgabe.
Auch diese Ausgabe von XUN ist ein abwechslungsreiches Heft mit Geschichten, die zwar nicht alle vor Originalität und Ideenreichtum sprühen, die aber alle von der Freude ihrer Autoren und überwiegend Autorinnen an der Erzählkunst zeugen. Das kann nur so weiter gehen ...

Holger Marks, Marburg

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COMIC REPORT 2012
196 Seiten 17 cm x 24 cm, Seitenbindung, ISBN 978-3-94021613-7.
Auflage: 2.000 Exemplare, 14,95 EUR.
Kontakt:
Verlag Volker Hamann, Edition Alfons,
Heederbrook 4e, 25355 Barmstedt, E-Mail: info@comic-report.de.
Internet: www.comic-report.de.

Während die breite Öffentlichkeit Comics immer noch sehr skeptisch gegenübersteht und die meisten für Kinderkram hält, den man ab einem bestimmten Alter nicht mehr in die Hand nehmen sollte, ist die Basis der begeisterten Fans inzwischen groß geworden. Die Begeisterung zieht sich durch alle Alters- und Bevölkerungsschichten. Mangas, Hefte und Grapic Novels haben ebenso ihre Leser wie die klassischen Alben.
Und so gibt es auch genug Autoren, die sich genauer mit dem Markt in Deutschland beschäftigen. So entstehen Bücher wie der COMIC REPORT, von dem gerade die Ausgabe 2012 erschienen ist und sich ein wenig dicker und farbiger als der Vorgänger präsentiert.
Volker Hamann und Matthias Hofmann haben eine bunte Auswahl zusammengestellt, in der sich die unterschiedlichsten Autoren mit den Themen beschäftigen, die ihnen am Herzen liegen und über die sie genauer recherchiert haben. Zudem wurden auch die derzeit in Deutschland aktiven Comic-Verlage unter die Lupe genommen und man hat den verantwortlichen Redakteuren Fragen gestellt.
Zunächst einmal wird ein Blick auf die Comic-Verfilmungen 2011 geworfen. Neben TIM UND STRUPPI werfen auch Superhelden-Blockbuster ihre Schatten voraus, namentlich BATMAN RISES und THE AVENGERS. Kritisch wird beleuchtet, ob die Verfilmungen den Comics gerecht werden und wie sie sich unterscheiden.
Herges Klassiker wird noch einmal ausführlicher betrachtet, ist dies doch nicht einmal die erste Verfilmung, aber eine der wichtigsten, da auch Steven Spielberg seine Finger mit im Spiel hat. Dem Jubiläum des MICKEY MAUS-Heftes, das immerhin seit sechzig Jahren erscheint wird ebenso gedacht wie dem Mädchencomic. „25 Jahre Wendy“ erinnert daran, dass es nicht immer Comics gab, die sich speziell an weibliche Leser richteten, sondern diese erst mit beliebten Themen einen unerschlossenen Markt erobern mussten.
Comics werden gerne als Lektüre für Kinder belächelt, aber gibt es in Deutschland heute noch wirklich Comics, die genau auf die Zielgruppe der bis zwölfjährigen ausgerichtet ist? Oder ist diese Zahl verschwindend gering?
Wie werden Comics eigentlich vertrieben? Heute sieht das etwas anders aus als früher, wie zwei unterschiedliche Artikel zu dem Thema „Markt“ beweisen.
Auch die Marktanalysen sind sehr interessant, zeigen sie doch die Trends und Interessenverschiebungen seit dem Erscheinen des letzten COMIC REPORTS. Die Jahre 2010 und 2011 haben für einen gewissen Umbruch gesorgt, der nicht einmal negativ sein muss. Überraschend sind dabei auch die Verkaufszahlen – die Auflagen verschiedener Titel in den Verlagen sind sehr unterschiedlich.
Viele verschiedene Themen werden aufgegriffen. So vergleicht jemand die verschiedenen Auflagen von PRINZ EISENHERZ in Deutschland und enthüllt dabei interessante Fakten. Neben TIM UND STRUPPI werden auch noch andere Klassiker wie MICKEY MAUS und WENDY aufgegriffen. Independent Label und Serien wie MENSCHENBLUT werden ebenso behandelt wie eine Mangaka und die wechselvollen Erscheinungsprobleme ihrer Geschichten in Deutschland.
Sachlich kritisch sind die Marktanalysen und Berichte, die nichts mit den Werken direkt zu tun haben. Sie enthüllen dem interessierten Laien Wissenswertes und machen Lust darauf, mehr zu erfahren.
Alles in allem sind die Texte so gemacht, dass erfahrene Fans ebenso Informationen aus ihnen ziehen können wie die Laien, die sich gerade erst genauer mit dem Thema Comics zu beschäftigen beginnen. Sie sind unterhaltsam und so gut wie frei von Fachbegriffen, so dass man sich gut zurecht findet. Sicherlich werden lange nicht alle möglichen Themen abgedeckt, amerikanische Graphic Novels sind ebenso unterrepräsentiert wie Mangas aber das ist zum einen bei der Seitenzahl nicht anders möglich, zum anderen fehlen natürlich auch die Autoren, die mehr wissen darüber haben.
Alles in allem ist der COMIC REPORT eine runde Sache und wird seinem Untertitel „Der deutschsprachige Comicmarkt: Berichte und Analysen“ mehr als gerecht. Denn alle Texte haben Bezug zur Gegenwart, auch wenn sie Klassiker behandeln und konzentrieren sich auf die heutige Wirkung, anstatt nur in nostalgischen Erinnerungen zu schwelgen. Daher lohnt es sich durchaus, das Buch zu besorgen, wenn man ein wenig mehr über die aktuelle Lage auf dem Comicsektor erfahren möchte.

Christel Scheja, Solingen


EXODUS 29
112 Seiten DIN A 4, Seitenbindung, ISSN 1860-675X.

Auflage: unbekannt, 9,90 EUR, 2er-Abonnement 19,00 EUR.
Kontakt: René Moreau, Schillingsstr. 259, 52355 Düren, E-Mail: rene.moreau@ exodusmagazin.de.
Bankverbindung: Postbank Köln (BLZ 370 100 50), Konto 285170505.
Internet: www.exodusmagazin.de.
 

Wieder einmal liegt ein dickes Ding auf dem Tisch. 112 Seiten mit Erzählungen, die themenbezogen illustriert sind und sich lesefreundlich aufgemacht dem Interessenten präsentieren. Die Eckdaten sind wie immer vielversprechend. Zwölf Erzählungen hat das nimmermüde Trio um René Moreau, Heinz Wipperfürth und Olaf Kemmler dieses Mal zusammengetragen und verzichtete dabei darauf, ein Leitthema für die Kurzgeschichten vorzugeben.
Den Einstieg bestreitet Rolf Krohn mit seiner Erzählung „Die Schraube“. Er schildert den Alltag einer Raumschiffsbesatzung, deren Job die Raumreinigung ist. Ja, ernsthaft, kein Witz! Die Besatzung der AUGUSTIN C 121 durchstreift das Sonnensystem, um den interplanetaren Raum nach Meteoriten, Trümmerstücken und ähnlichen Dingen zu durchsuchen, die auf Kollisionskurs zur Erde gehen könnten. Also eine durchaus sinnvolle Weltraum-Putze. Natürlich bleibt es nicht bei der Routine – denn auf diesem Flug kreuzt ein Fundstück ihre Bahn. Allerdings ein gänzlich unerwartetes, denn es enthält Metall, reines Metall! Was könnte das wohl sein? Und nein, ich verrate es nicht. Nur soviel, die Lektüre dieser Geschichte lohnt sich.
Opinion Engineering“ von Michael Iwoleit führt uns in eine Welt, die der unsrigen gar nicht so unähnlich ist. Auch hier ist das Internet weltumspannend und Meinungsbildung geschieht im Web. Seine Hauptfigur geht Kontrakte auf Honorarbasis ein. Er ist ein Freischaffender. Das ist erst einmal nichts Ungewöhnliches. Jedoch die Art der Tätigkeit. Sein Job besteht darin, sich Informationen über eine Zielperson zu beschaffen, Gerüchte, Halbwahrheiten und Verleumdungen zu Meldungen zusammenzustellen, um diese sowohl ins Internet zu stellen als auch über die Medien zu verbreiten. Keine Frage, moralisch ist das nicht. Seine neueste Zielperson ist Konrad Balkhausen, der ein Import-/Export-Unternehmen in Schwerin gründete, in die Politik ging und in der CDU-Landtagsfraktion den Moralapostel gibt. Sein Klient ist bereit, eine ganze Stange Geld in die Hand zu nehmen, um die Glaubwürdigkeit von Balkhausen zu erschüttern. Am besten eine Enthüllungsstory, etwas Sexuelles zum Beispiel.
Was unser Meinungsmacher zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß, seine derzeitige Freundin, die schnarchend im Bett neben ihm liegt, ist die Tochter der Zielperson. Dem Leser schwant dieser Umstand schon frühzeitig, was der Spannung jedoch keinen Abbruch tut. Michael Iwoleit strickt ein Szenario, in dem Designerdrogen, Hacker, Kameraüberwachung, Mustererkennungsverfahren und Klonzüchtung als Organspender für zahlungskräftige Perverslinge eine Rolle spielen. Erschreckenderweise hat man beim Lesen das Gefühl, dass diese Fiktion erschreckend realitätsnah daherkommt.
Einzig der Schluss, der die Erzählung passend zynisch beendet, überraschte mich. Irgendwie hatte ich mich auf eine unerwartete Wendung eingestellt oder diese erhofft, bei der der Ich-Erzähler ebenfalls sein Fett wegbekommt. Na ja, man kann nicht alles haben.
Mit Olaf Lahayne geht es in den „Cirque du Courant“. Das könnte man mit „Zirkus der Strömung/Bewegung“ übersetzen. Oha, ein ganz schön eigenwilliges Motto. Das ist nun kein gewöhnlicher Zirkus und keine Aufführung, wie wir sie kennen. Anstelle der ordinären Sitzbank, gibt es den Body Chair, der wie ein Relax-Sessel gestaltet ist. Außerdem 3D-Maske und Cyber Gloves als Zugabe. Spätestens jetzt wissen wir, die Leser, uns erwartet eine Zirkusvorstellung mit virtueller Realität im Huckepack. Die Artisten tragen Anzüge mit Markierungspunkten und nach Anlegen des 3D-Equipment erwartet die Besucher ein aufregendes Spektakel. Die Artisten agieren live, werden dabei von mehr als hundert Kameras aufgenommen, die Szene in einem Super-Computer gerendert und künstlerisch verfremdet. Jeder Besucher erhält so den Eindruck seiner ganz eigenen Privatvorstellung. Das ist der Plan. Wären da nicht zwei Aktivistinnen, die das Ganze gar nicht lustig finden. Denn, wie so oft, die Entwickler neuer Technologien gucken in die Röhre, weil ein anderer die Patentrechte erworben hat.
Also hacken sich die beiden mittels eingeschmuggelter Netbooks in den Super-Computer und nutzen so die Gelegenheit, die Zuschauer in ein ganz privates Horrorkabinett zu führen. Passend zur Begleitmusik Danse macabre, demonstrieren sie, was man mit den persönlichen Daten der Zuschauer anstellen kann, weil diese am Zirkus-Eingang den Scan ihrer Gesundheitskarte zuließen. Ja, doch, lesenswert.
Machen wir einen Sprung in den „Käfig“ von Klaus N. Frick. Seiner Erzählung spielt tatsächlich in einem Käfig. Einem absonderlichen Gefängnis, das Grau in Grau gehalten ist, keine Einrichtung hat und aus merkwürdigem Material besteht. Die Story beginnt als Klaus, der Ich-Erzähler, in seinem Käfig Besuch bekommt. Plötzlich erscheint eine Öffnung in der Wand (Formenergie?) und eine nackte Frau wird von einem Transportfeld in seinem Gefängnis abgelegt. Jennifer, geschätzte 25, nahtlos gebräunt, hübsch, spricht englisch mit amerikanischem Akzent. Aha, sagt sich der erfahrene Leser. Hier geht es um Außerirdische, Entführung, Gefangennahme und nun erwarten wir, dass das geschieht, was uns aus einer Bemerkung aus dem SF-Film INDEPENDENCE DAY bekannt ist: „… und dann haben sie Dinge mit mir gemacht…“ Na ja, diese Dinge können die beiden jetzt ja machen. Erstaunlicherweise kippt die Darstellung nicht ins peinliche Klischee. Die Erzählung ist gelungen, bezieht ihre Dichte und Spannung allein aus der Beschreibung der beiden Hauptpersonen und wie diese mit der Situation umgehen. Auch mit ihrer Nacktheit. Über die Entführer bzw. die Gefängnis-Wärter erfahren wir nichts. Die geheimnisvolle Technologie des Käfigs wird nicht erklärt. Die einzigen Hinweise, die der Autor im Nebensatz einfließen lässt, ist seine Vermutung, auf einem Planeten mit einem 18-Stunden-Tag zu sein und dort als Zootier ausgestellt zu werden. „Guck mal Mami, da! Ein Primat vom Planeten Erde.“ Na, klasse! Wie es weitergeht mit Jennifer und Klaus? Selbst lesen macht schlau. Die Erzählung ist ungewöhnlich und zumindest ich betrachte jetzt die lustige Sendung PANDA, GORILLA & CO., im Nachmittagsprogramm des NDR, mit ganz anderen Augen. Da sage ich doch artig „Danke, Klaus.“
Wie wäre es zur Abwechslung mit etwas Weisheit? Zum Beispiel mit „Die Maschine der Weisen“ von Armin Möhle? Doch Vorsicht, es wird religiös! Sein Prolog beginnt mit „Luther, Martin (1483 – 1524): Mönch und Priester…“ und wir lesen weiter „…nachdem Papst Leo X. 1520 die Bannbulle Exsurge Domine gegen Luther erlassen hatte, unterwarf sich dieser und widerrief.“ He, Moment mal – Luther hat doch nicht widerrufen! Gibt es da nicht jenes Zitat: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir, Amen.“ Ein rascher Blick auf WIKIPEDIA und beruhigtes Aufseufzen des Evangelen. Der Möhle, der Böse, verdreht die Geschichte. Immerhin ist jetzt klar, es geht um einen alternativen Geschichtsablauf. Mit einem Zeitsprung von knapp 500 Jahren landen wir in der Gegenwart, der alternativen Gegenwart, versteht sich. Wir finden uns im CERN-Kontrollraum wieder und lauschen gebannt den Worten von Christopher Adams, Generaldirektor der EUROPEAN ORGANIZATION FOR NUCLEAR RESEARCH: „Wir können Blei in Gold verwandeln. Das Verfahren ermöglicht die Goldsynthese in einem wirtschaftlichen Rahmen.“ Er erläutert die Vorgehensweise mit dem weltgrößten Teilchenbeschleuniger Kardinal Francis Betori und dessen Begleiter Pater Theodore McCarrick. Da er um die Problematik der Experimente weiß, bittet er die beiden Kirchenmänner um Zustimmung für die Fortsetzung der Experimente und den Segen des Heiligen Vaters. Vielleicht hätte er lieber um die Seligsprechung Luzifers bitten sollen, denn die Antwort folgt prompt: „Sünde bleibt Sünde, Häresie bleibt Häresie, ob sie im achtzehnten Jahrhundert oder in der Gegenwart begangen wird. Ihr Alchemisten begebt euch nicht in den Schutz von Jesus Christus als makellosem Beschützer vor den dunklen Mächten. Dafür werde ich Euch der Sacra Congregatio Romanae et universalis Inquisitionis überantworten!“
Aua! Wenn es etwas gibt, das die Katholen perfekt beherrschen, dann natürlich brennen, nageln, foltern – in umgekehrter Reihenfolge natürlich.
So hatte sich Christopher Adams den Gesprächsverlauf wohl nicht vorgestellt. Doch er hat Glück, denn der ehrenwerte Pater McCarrick ist pragmatischer. Nach kurzem Disput mit dem Kardinal darf der Generaldirektor des CERN seine Arbeitskraft und die seiner Mitarbeiter, in den Dienst des Päpstlichen Stuhls stellen. So kann er künftig mitwirken an der Missionierung der Welt und der Verbreitung des Glaubens. Darauf ein Halleluja!
Kann das gut gehen? Nein, natürlich nicht, denn jetzt folgt der lakonische Epilog: „Die Effizienzsteigerung der Goldsynthese führte nicht nur zu einem exponentiellen Anstieg der Missionsbestrebungen der Katholischen Kirche, sondern auch zu ihrem wirtschaftlichen Zusammenbruch, da das durch die nukleare Transmutation hergestellte Gold aufgrund seiner Menge rapide an Wert verlor.“ Und weiter zitiert Armin Möhle aus dem Datenfile der Atheistischen Liga: „Heute ist die Heilige Katholische und Apostolische Kirche, wie sie sich selbst nannte, auf den Status einer Sekte mit mehreren zehntausend Anhängern geschrumpft.“
Hätte der Autor diese Erzählung in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts verfasst, sie hätte prima in das Fanzine (Magazin?) SAGITTARIUS 11, das Themenheft Religion der Edition Bogenschütze gepasst. Aber auch heute kann ich darüber schmunzeln.
Jedoch, in einem gehe ich mit Armin Möhle nicht konform. Nämlich im CERN die Annahme der Goldsynthese anzusiedeln. Wobei ich nicht die technische Seite meine. Nehmen wir einmal an, Luther hätte widerrufen, Isaac Newton wäre als Ketzer hingerichtet worden (ups, hatte ich das nicht erwähnt?), dann stellt sich mir die Frage: Würde eine so staatstragende und machtvolle Kirche Konkurrenz durch Wissenschaft und Technik zulassen? Jegliche Forschung und Wissenschaft wäre eine Gefahr für die Macht und ihren Alleinvertretungsanspruch. Ergo – der Bau und Betrieb des CERN wäre schon Ketzerei hoch zwei! Für Interessenten an diesem Thema verweise ich auf David Webers Reihe NIMUE ALBAN, in der dieser eine planetenbeherrschende und technikfeindliche „Mutter Kirche“ schildert.
Das waren jetzt fünf von zwölf (statt Seven of Nine). Ich habe nicht vor, auf jede einzelne Erzählung einzugehen. Tatsächlich gab es auch Kurzgeschichten in EXODUS, die mir nicht zusagten. Ich denke, das ist bei der Menge und der Themenvielfalt unvermeidlich. Wenn ich etwas zu kritisieren habe, dann zum Beispiel, dass mich die EXODUS-Galerie von Thomas Franke nicht angesprochen hat. Etwas schade ist auch, dass die Rubrik „Personalia – die Autoren und Künstler“, in 8 Punkt Schriftgröße (!), ein Schattendasein am Ende des Heftes führt. Das erforderliche Nach-Hinten-Blättern nervt. Kann man das nicht ändern? Ich weiß, wahrscheinlich rollt jetzt ein gewisser Herr Kemmler mit den Augen oder steht kurz davor, frustriert in den Berberteppich zu beißen.
Bevor es soweit kommt: EXODUS setzt nach wie vor den Maßstab bei Kurzgeschichten und Erzählungen, das Preis-/Leistungsverhältnis geht in Ordnung und ein Hingucker im Regal ist es außerdem.

Günther Freunek, Osnabrück


INTRAVENÖS 212

80 Seiten DIN A 5, Mittelheftung.
Auflage: 85 Exemplare, Preis unbekannt (bitte erfragen).
Kontakt: ATLAN CLUB DEUTSCHLAND, Rüdiger Schäfer, Kolberger Str. 96, 51381 Leverkusen, E-Mail: kontakter@atlan-club-deutschland.de.
Internet: www.atlan-club-deutschland.de.


Ich habe es wieder getan! Ich habe nachgezählt, wie viele Beiträge in diesem INTRA von Rüdiger Schäfer sind. Es sind wieder acht – genauso viele wie in der letzten hier besprochenen Ausgabe des ACD-Clubzines. Nun könnte es natürlich sein, dass Rüdiger in den dazwischen liegenden Ausgaben nicht oder kaum vertreten war. Aber wer mag an einen solchen Zufall glauben?
Und warum sollte man sich deswegen beschweren? Rüdiger hat doch nur Gutes im Sinn. Zuerst staucht er in einem Leserbrief die verbiesterten und engstirnigen Fußballreporter in Grund und Boden, die die Erfolge der Deutschen Fußballmannschaft durch überzogenen Erwartungen und kleinliche Kritik wegreden wollen.
Und dann rettet er auch noch Leben! Vermutlich! Es wird sich nie beweisen lassen. Rüdiger bespricht das Buch von Volker Kitz und Manuel Tusch mit dem schönen Titel PSYCHO? LOGISCH! NÜTZLICHE ERKENNTNISSE DER ALLTAGSPSYCHOLOGIE. Darin kommt auch der Zuschauereffekt vor, der dem Phänomen einem Namen gibt, das z. B. bei Autounfällen oder anderen Notfallsituationen häufig anzutreffen ist: Je mehr Menschen zuschauen, desto weniger fühlt sich jeder einzelne verpflichtet, helfend einzugreifen. Die wirklich wichtige Erkenntnis ist aber die, dass Menschen, die den Zuschauereffekt kennen, eher in der Lage sind, ihre Lethargie abzuschütteln, der Alltagspsychologie ein Schnippchen zu schlagen und tätig werden.
Und somit hat nun auch der FK seine Pflicht und Schuldigkeit getan!
Aber auch in anderer Weise ist diese Ausgabe des INTRA sehr lehrreich. Habe ich doch erfahren, dass es so etwas wie einen universellen Englischlehrerjoke gibt. In seiner Deutschstunde beschäftigt sich Rüdiger diesmal mit „falschen Freunden“. Das sind sind nicht nur unangenehme Mitmenschen, sondern manchmal auch fremdsprachige Wörter, die ähnlich wie deutsche Wörter klingen und bei denen man versucht ist, die deutsche Bedeutung zu übertragen. Ähnlich wie Rüdiger hat mir mein Englischlehrer durch eben jenen universellen Witz verdeutlicht, dass das englische „become“ eben nicht „bekommen“ bedeutet und man sich hüten sollte im Restaurant den Satz „When did I become a Schnitzel?“ zu äußern. Damals ging ich noch nicht so häufig in Restaurants. Heute fällt mir das Beispiel manchmal ein, wenn in unserer Kantine mal wieder Schnitzeltag ist ... Ein gelungenes Beispiel für nachhaltige Bildung!
Aber nicht nur Rüdiger Schäfer hat was zu sagen. In den Leserbriefen wird ausführlich über die Auswirkungen der modernen Kommunikationsmedien oder die des Rauchens diskutiert.
Außerdem gibt es einen Vorgeschmack auf den nächsten ATLAN-Kalender, der unter dem Thema „Erotik“ wieder rechtzeitig zur Jahreswende erscheinen wird. Und es gibt sehr viele Buchvorstellungen und Rezensionen von Peter Herfurth-Jesse, Andreas Nordiek und – wie schon gesagt – Rüdiger Schäfer. Sehr schön ist dabei, dass nicht nur Werke aus dem phantastischen Genre sind, die besprochen werden. Bei den Autoren braucht man sich um fundierte und kompetente Kritik keine Sorgen zu machen.
Natürlich gibt es auch Beiträge, mit denen ich als bekennender Nicht-Hardcore-ATLAN-Fan nicht so viel anfangen kann, wie z. B. den „Immerwährenden Atlan-Kalender“. Andererseits muss sich ein Clubzine mit dem Objekt seiner Verehrung befassen. Alles andere wäre irgendwie schizophren.
Das ACD-INTRA ist immer wieder eine amüsante, lehr- und manchmal hilfreiche und kurzweilig zu lesende Publikation. Alles andere wurde hier schon gesagt.

Holger Marks, Marburg


PHANTAST 6: APOKALYPSEN
99 Seiten, PDF, Download: fictionfantasy.de/phantast.
Kontakt: Jürgen Eglseer, Eichenweg 1a, 83278 Traunstein, E-Mail: eglseer@fictionfantasy.de.
Internet: fictionfantasy.de.

Im E-Book-Reader unfreundlichen PDF-Format erscheint seit sechs Ausgaben der PHANTAST im Rezensionsportal fictionfantasy.de. Immerhin ist das Format monitorgerecht, abhängig von der eingesetzten Hardware, versteht sich … Es handelt sich durchweg um Themenausgaben; nach „Science Fantasy“, „Dunkle Zeiten“, „Quest“, „Träume“ und „Humor“ werden in der neuen Ausgabe nunmehr die „Apokalypsen“ behandelt.
PHANTAST 6 bietet nicht nur einen, sondern zwei Leitartikel, denen gemein ist, dass sie nach einer kurzen Einführung eine Reihe von mehr oder minder aktuellen, thematisch passenden Romanen vorstellen. Während Erik Schreiber die (quasi-) religiöse Komponente betont, legt Jürgen Eglseer auch Wert auf den positiven Aspekt von Apokalypsen, nämlich ihre Heilsbotschaft. Was immer der Leser von diesen Interpretationen auch halten mag: Die Artikel bieten zusammengefasst einen breiten Querschnitt durch die phantastischen Romane, die die unterschiedlichsten Katastrophen schildern, die über die Menschheit hereinbrechen.
Als dritter, inoffizieller Leitartikel mag „Apokalyptische Sequenzen – Ein kleiner Streifzug durch schemenhafte Weltuntergangsszenarien“ von Max Pechmann angesehen werden, der wie die Beiträge von Erik Schreiber und Jürgen Eglseer eine kurze Einführung aufweist, sich danach aber auf die Darstellung von nur einer Handvoll eher unbekannter einschlägiger Filme beschränkt. (Vielleicht blieb dem Text deshalb die Aufwertung als „Leitartikel“ versagt …?!) Ähnliches gilt auch für die Artikel „Der Soundtrack zur Apokalypse“ von Judith Gor und „Einheits-Brei in Jugend-Dystopien“ von Jessica Idczak. Rupert Schwarz greift dagegen in seinem Beitrag „Terraforming – mal anders herum“ gezielt zwei SF-Romane heraus, in denen die Erde verwüstet wird (DIE BIOLOGISCHE INVASION und DER TAG DER VERDAMMNIS von David Gerrold, Heyne, 1990).
Eine Reihe von Rezensionen von Maik Nümann, Jessica Idczak, Rupert Schwarz und Judith Gor zu Romanen und Comics runden die sekundärliterischen Beiträge im PHANTAST 6 ab.
Die Interviewdichte in PHANTAST 6 reicht an die von PHANTASTISCH! heran. Es überrascht nicht, dass die vornehmlich jungen Autorinnen und Autoren nach jenen „apokalyptischen“ Romanen gefragt werden, die sie kürzlich veröffentlicht haben: FLAMMEN ÜBER ARCADION von Bernd Peplies (Lyx), LAST DAYS OF EARTH von Susanne Gerdom alias Julian Frost (Piper) und DARK CANOPY von Jennifer Barkau (Script5). Es sind also keine routinierten abgespulten Interviews, die sich auf Standardfragen beschränken.
Die einzige Kurzgeschichte in der Ausgabe, „Hunger“, von Merlin Thomas, überrascht zunächst durch ihre ungewöhnliche Perspektive (das Geschehen wird aus der Sicht eines Zombies erzählt). Danach wird sie konventionell bis unglaubwürdig, als der Protagonist von seiner Jägerin verschont wird, mit ihr eine Beziehung eingeht und ein Kind zeugt … Die Pointe wird erfahrene Leser nicht überraschen.
Eine Enttäuschung ist der Nachruf von Erik Schreiber auf Ray Bradbury, der wohl aus aktuellem, nicht aus thematischen Anlass in die Ausgabe eingefügt wurde. Nach einem kurzen Abriss des Lebens und Schaffens des Autors, in dem nur seine älteren, bekannten Arbeiten wie DIE MARS-CHRONIKEN, FAHRENHEIT 451 und DER ILLUSTRIERTE MANN Erwähnung finden, besteht die zweite Hälfte des Textes aus einer Rezension des Romans FAHRENHEIT 451.
Der PHANTAST 6 hat sich seinem selbstgewählten Thema in fast allen Beiträgen gestellt und gibt einen einen gelungenen Überblick über (vorwiegend) Romane, die die Zerstörung der Welt, aber auch das Leben danach schildern – und die nicht nur in den bekanntesten Verlagen erschienen sind. Das Manko, dass der PHANTAST nur als PDF-Datei zur Verfügung steht und sich damit lediglich zur Lektüre auf PCs eignet, bleibt natürlich. Die Macher sollten dem Beispiel von PHANTASTISCH! folgen, das seine neueste Ausgabe 47 auch als E-Book bereit stellt.

Armin Möhle, Wallenhorst


XUN TASCHENBUCH DER FANTASTIK 8
104 Seiten DIN A 5, Seitenbindung, ISBN 978-3848-217-91-5.
Auflage: unbekannt, 6,90 EUR.
Kontakt: Bernd Walter, Michelsbergstr. 14, 74080 Heilbronn, E-Mail: xun@xun-online.de.
Internet: www.xun-online.de.


In seiner achten Ausgabe bietet das XUN TASCHENBUCH DER FANTASTIK neun Geschichten:

Armin Möhle lässt in „Auslese“ Menschen zwischen die Fronten und unter die Herrschaft zweier außerirdischer, überlegener Völker geraten, deren Denken der Lebensweise von Insekten bzw. Echsen entspricht.
„Das Geschenk“ von Tom Perlich ist ein Delfin aus Porzellan, der das Fürchten lehrt.
W. Berners Hauptfigur sieht nach dem Gebrauch einer neuen Droge „Rosa Elfen“.
„Die eisblauen Augen Gottes“ in der titelgebenden Story von Dominik Grittner sind einem Raumschiffskapitän, der einen mysteriösen Unbekannten hinrichten will, nicht Warnung genug.
Krzystof T. Dabrowski schildert in einer aus dem Polnischen übersetzten Geschichte das „schäbige Leben“ eines notorischen Pechvogels.
In „Affe zu! Klappe tot!“ stellt Kai G. Klein die Vorstellungskraft des Lesers auf eine harte Probe. Seine Schilderungen von Tieren, die einem in den Mund fliegen, reichen hartnäckig ins Irreale.
„Das höchste Gebot“ von Olaf Lahayne wird für einen Tauschhandel besonderer, existentieller Art bei einem mächtigen Planeten-Wesen abgegeben.
Alexander Gails „Jäger“ reitet in einen verbotenen Wald und hat dort ein unerwartetes, zauberhaftes Rendezvous.
Angler ereilt in der Geschichte „Die Herzlosen“ von Stefanie Kißling die Rache der gequälten Kreaturen.
Alle Beiträge bieten gute Unterhaltung. Einzelne ließen sich daraus wohl nur nach persönlichem Geschmack hervorheben. Die Fan-Stories sind ohne Ausnahme lesenswert und obendrein abwechslungsreich.

Clemens Nissen s. sps., Schortens


PHANTASTISCH! 47
68 Seiten DIN A 4, Mittelheftung, ISSN 1616-8437.
Auflage: 1.500 Exemplare, 5,30 EUR, 4er-Abonnement 21,20 EUR.
Kontakt: Atlantis Verlag Guido Latz, Bergstraße 34, 52222 Stollberg.
Internet:
www.phantastisch.net, www.atlantis-verlag.de.

Es ist bunt geworden. Mit der siebenundvierzigsten Ausgabe und nach zwölf Jahren erscheint PHANTASTISCH! jetzt im Atlantis Verlag von Guido Latz. Sicherlich keine schlechte „neue Heimat“.
Und der neue Verlag bewahrt das Altbewährte. Gleich in seinem kurzen Vorwort betont Guido Latz, dass sich nicht allzu viel verändern soll. In der Tat weist auch die neue Ausgabe den altbekannten Mix aus sekundärliterarischen Beiträgen, Interviews,. Buchvorstellungen und Artikeln auf. Und es bleibt auch dabei, dass die Primärbeiträge eher ein Schattendasein führen. Eine und leider auch nicht sehr bemerkenswerte Story von Martin Beckmann findet sich in dieser Ausgabe.
Aber dafür sehr viel mehr Farbe. Manchmal sogar ein wenig zu viel Farbe. Manche Seite wirkt etwas zu knallig, die Farben stechen zu sehr aus dem Text hervor. Hier hätte man sich einen kleinen Dämpfer gewünscht. Als störend empfand ich die „schmutziggelben“ Kästchen, in den bei Rezensionen die bibliographischen Daten oder weitere Informationen zu Autoren usw. untergebracht sind. Aber vielleicht spielt sich hier die Farbgebung in den nächsten Ausgaben noch ein. Ansonsten ist PHANTASTISCH! jetzt auch in digitaler Form zu haben und wer Glück hat, findet das Heft auch im heimischen Bahnhofsbuchhandel. Damit einher geht natürlich die Hoffnung des Atlantis Verlages möglichst viele neue Leserinnen und Leser anzulocken – wäre ich noch zwanzig Jahre jünger und lebte noch in der damaligen Welt, würde ich Kommerzialisierungsgefahren wittern.
Jetzt erfreue mich an einem gelungenen Magazin, das inhaltlich nahezu unverändert daherkommt und hoffe, hoffe, hoffe, dass die Gratwanderung zwischen inhaltlicher Kompetenz und wirtschaftlichen Notwendigkeiten noch lange die gleichen lesenswerten Ergebnisse hervorbringt. Nach einer Auskunft von Guido Latz für SF-Fan.de spielen kommerzielle Gründe (noch) keine Rolle.
Mit großen Namen hat das Heft noch nie gegeizt. Und immer wieder gelang es auch neue, innovative Kolumnen oder Beiträge zu requirieren. Diesmal ist es die Frage, wie es einige prominente Autoren mit dem für Ende 2012 prophezeiten Weltuntergang halten. Alan Dean Foster, Hartmut Kasper, Michael Marcus Thurner und Uwe Post geben darauf mal nachdenkliche mal ironische Antworten. Fazit: sicherheitshalber doch lieber Weihnachtsgeschenke besorgen.
Es gibt wieder eine Reihe von Buch und Autorenvorstellungen. Diesmal jedoch nur zwei Interviews. Dirk van den Boom „sprach“ mit Kevin J. Anderson, ein Autor der in vielen Universen zu Hause ist, sich im DUNE als auch im STAR WARS-Franchise tummelt und dabei auch noch eigenständige Werke hervorbringt.
Weniger bekannt dürfte bislang der zweite Interviewte sein. Daniel Abraham hat die ehrenvolle Aufgabe übernommen, eine Comic-Adaption von George R. R. Martins Saga von ES UND FEUER zu erarbeiten. Dieses Interview von Christian Endres ist relativ kurz geraten, behandelt das Thema aber erschöpfend.
Ausführlicher wird der gleiche Autor bei der Würdigung von Leben und Werk des französischen Comickünstler Jean Giraud alias Möbius, der im März 2012 im Alter von 73 Jahren in Paris gestorben ist. Besonders die Gegenüberstellung des Klassikers Giraud, der die Comics um den Westernhaudegen Blueberry schuf, und den innovativen Zeichner Möbius, der inhaltlich und stilistisch die Grenzen der Comickunst erweiterte, ist ein schöner Aspekt dieses Artikels.
Erwähnenswert sind noch weitere Artikel. Olaf Brill stellt den Jugendbuchautor Rolf Ulrici ausführlich vor. Der Rückblick in die siebziger Jahre, in denen phantastische Themen noch nicht so ubiquitär waren und die wöchentliche Ration RAUMSCHIFF ENTERPRISE das Highlight eines jeden Fans war, weckt nostalgische Erinnerungen. Sehr informativ ist auch der Gesamtüberblick über die Jugendbücher Ulricis.
Und einen weiteren Rückblick gibt es noch: Wer anders als Heiko Langhans könnte das Leben von Hanns Kneifel würdigen? Sehr angenehm ist dabei, dass PERRY RHODAN eben nur als eine Periode im Lebenswerk von Hanns Kneifel dargestellt wird, obwohl viele ihn nur als PR-Autoren kennen.
Björn Steckmeier widmet sich ausführlich den „Masters of the Universe“, Comics und Spielfiguren und das ganze Franchise werden betrachtet. Ich konnte damit nie etwas anfangen. Aber der Artikel vollzieht sehr gut die Änderungen des „Zeitgeistes“ nach und die Schwierigkeiten der Herstellerfirma Mattel sich daran anzupassen.
Und zwei weitere neue Kolumnen gibt es noch. Günther Freuneck wird sich zukünftig mit der Typologie und der Gestaltung von SF-Büchern auseinandersetzen. Er fängt damit an, erst einmal die Gestaltung eines Romans von Jack McDevitt aus dem Bastei/Lübbe-Verlag auseinanderzunehmen. Ein Musterbeispiel für die oft schreiend schlechte bzw. gedankenlose Gestaltung von Taschenbüchern.
Eine Sisyphus-Aufgabe ganz anderer Art hat Horst Illmer übernommen. Er beginnt in einer neuen Reihe damit „die Phantastik-Szene in Deutschland anhand ihrer regionalen Spezifika“ unter die Lupe zu nehmen. Die erste Region ist Würzburg und das umliegende Main-Frankenland. Wie vom Autor nicht anders zu erwarten geht er diese Aufgabe mit erschöpfender Gründlichkeit an. Und hat leider auf den Leser mitunter den gleichen Effekt. Aber er erfährt auch viele interessante Dinge, wie z. B. die Tatsache das auch Benediktinermönche phantastische Literatur in Würzburg geschrieben haben. Wer sich berufen fühlt, sich ebenfalls eine Region in Deutschland vorzunehmen, sollte sich bei der phantastisch-Redaktion melden.
Und das sind noch nicht alle Beiträge, dieses wir immer sehr kenntnisreichen und textlastigen Heftes. Wenn man PHANTASTISCH! mit dem gerade neu erschienenen GEEK vergleicht, kommen die Qualitäten zum tragen. Beide Magazine werden von absoluten Kennern gemacht, die ein fundiertes Wissen haben. Und auch wenn GEEK einen anderen Schwerpunkt hat, der eher auf die filmischen Blockbuster verweist, ist das nicht der entscheidende Punkt. Während man bei GEEK den Eindruck bekommt, es hechelt auch sprachlich den Sensationen hinterher, sind die Beiträge in PHANTASTISCH! Entschleunigung pur. Sie verlangen Aufmerksamkeit vom Leser, fordern ihn, zwingen ihn zur weiteren Beschäftigung und verpflichten ihn für das Genre einzustehen. Es sind eben keine beliebigen Beiträge. Es steckt Überlegung dahinter und der Versuch, dem Genre immer wieder neue Aspekte abzugewinnen.
Und das sollte so bleiben.

Holger Marks, Marburg


Der FANZINE-KURIER erscheint in der EDITION WHISPERING TIMES.

Herausgabe, Redaktion und Vertrieb:
Armin Möhle
Eibenweg 18
49134 Wallenhorst.
E-Mail: armoe@gmx.de.

Preise der Printausgabe: Einzelexemplar 0,60 EUR, Jahresabonnement (6 Ausgaben) 3,00 EUR (in Briefmarken oder per Überweisung [Bankverbindung bitte erfragen]). Der FANZINE-KURIER ist außerdem im Fanzinetausch zu beziehen. Auslandspreise auf Anfrage.

Mitarbeiter dieser Ausgabe:  Günther Freunek, Holger Marks, Clemens Nissen s. ps., Christel Scheja.
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Auflage der Printausgabe: 30 Exemplare.

Für Rezensionsexemplare sind wir stets sehr dankbar!
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