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Werte Leserinnen und Leser,

die Besprechungen über APPROXIMATION 51: PICKET FENCES, GESCHICHTEN DER NACHT 18: CH'XAAL und über GRIMOIRE 5 haben mich bis zum Redaktionsschluß dieser Ausgabe leider nicht erreicht. Ich weiß, daß ist für die Herausgeber besonders ärgerlich, weil mir die Zines bereits vor drei bis vier Monaten zugegangen sind. Andererseits kann ich für diese Verzögerung nur um Verständnis und um weitere Geduld bitten; ich gehe davon aus, daß die Besprechungen in dem Fall im FANZINE-KURIER 83 erscheinen werden. Daneben sind für den FK 83 Rezensionen über ALIEN CONTACT 30, GESCHICHTEN DER NACHT 21: BABYLON 5 - LICHT UND SCHATTEN, PREHISTORIC NEWS 14 & 15, SOL 9, SOLAR-X 96 und 97, ENPUNKT 30, MUNICH ROUND UP 166 sowie über die PARADISE SONDERAUSGABE: TECHNIK - ETHIK - LEBEN vorgesehen.

Viele Grüße
Armin Möhle



TUMOR 7
KAMAWAKAN
SFGH-CHRONIKEN 181/182
SOLAR-X 94
R WIE RHODAN
SF PERSONALITY 8: MARION ZIMMER BRADLEY
QUASAR 17: DER KELCH VON ARIGARH
SOLAR-X 95
HIRNGESPENSTER 4
TUMOR SONDERHEFT 1: DÄMONEN



TUMOR 7
52 Seiten DIN A 4, Offset, Mittelheftung.
Auflage: unbekannt, 6,80 DM.
Bezug: Heiko Henning, Sandweg 38, 20257 Hamburg.

Mit einem halben Jahr Verspätung ist TUMOR 7 erschienen. Wieder im gewohnten roten Cover und einmal mehr mit einem blutrünstigen Titelbild, das mit dem Inhalt nicht viel zu tun hat. Diana R. Sasse verpaßt ihrer Zeichnung vom Zentauren beim Schlachter immerhin einen ironischen Touch: unfreiwillig, weil das Arrangement hervorquellender Organe, abgehackter Hände und Ohrmuscheln doch zu künstlich wirkt. Aber mehr noch bewußt; man schaue sich nur das irgendwo zwischen Stan Laurel und Alfred E. Neumann angesiedelte Gesicht des völlig verdutzten Schlachters an. Auch Dianas übrige Illustrationen zeugen von Humor und sind insofern originell. Wer kennt sie nicht, die kitschigen Bilder unschuldiger Einhörner? Unter der Feder der Zeichnerin mutieren sie zu mumifizierten Karikaturen. Werbung für Katzenfutter verulkt Diana, wenn sie dem possierlichen Tierchen Menschenfleisch reichen läßt, um es vor dem Rinderwahn zu bewahren: "Schreckies mit Mensch".
Ein Blick in das Inhaltsverzeichnis offenbart: die personelle Besetzung des Zines ist verglichen mit der Vornummer merklich ausgedünnt. Nur zwei umfangreichere Beiträge stammen nicht vom Herausgeber selber. So ein Porträt des Filmpioniers Georges Méliès von Mirko Heinemann. Breiten Raum widmet Mirko dem filmerischen Werk und seiner Entstehungsgeschichte. Das liest sich auch für Nicht-Cineasten durchaus unterhaltsam. Über die Person und das Wesen Méliès dagegen erfährt man ganz im Widerspruch zum Titel des Beitrags nichts. Völlig überflüssig und eine von Fanzines wie KOPFGEBURTEN abgekupferte Unsitte ist die angehängte akribische Filmographie - zwei Seiten dichtgereihter Filmtitel, die allenfalls Méliès-Spezialisten interessieren dürfte. Denen aber wird das Porträt ohnehin nichts Neues bringen.
Der andere längere Betrag stammt aus der Feder von Swantje Baumgart: "Der Alptraum". Daß alles nur ein Traum ist, kommt da nicht überraschend. Darum kann die Angst des Helden auch nicht überzeugen, der sich selbst die Schuld am Tod seiner Frau und seines Kindes gibt und deshalb an Alpträumen leidet - eigentlich eine ausbaufähige Idee, die hier aber nicht über ein paar abgegriffene Ideen und Bilder hinausgeht.
Die übrigen Beiträge hat Heiko in der Regel selbst verfaßt. "Ein Fragment der Vergangenheit" ist ein übermäßig undurchsichtiges Bruchstück, dessen Interpretation man sich ersparen sollte, eine Episode von Trennung und Vereinigung, Liebe und Tod. Klarer dagegen seine Gedichte wie "Ebenbild" oder "Die Stunden ohne Dich …"; Schubladenlyrik, die ausgelatschte Sprach- und Gedankenpfade noch etwas breiter tritt: "Ich gefalle euch nicht so? / Ich bin so geworden wie ihr". "Deine Nähe / Sie wird mich retten / Doch wirst Du mich retten?"
Heikos Stärke liegt eher im sekundärliterarischen Bereich. Verunglückt ist er hier allerdings mit seinem Versuch, durch ein Verlagsporträt Interesse für das Programm des "hochinteressanten" Rainar Nitzsche Verlag zu wecken. Der Leiter des Ein-Mann-Verlages ist herzkrank, ist zu erfahren, arbeitslos, und in seiner Wohnung stapeln sich Tausende unverkaufte Exemplare der mittlerweile 17 erschienen Titel deutscher Nachwuchsphantasten und -lyriker. Daß der Verleger da "unerschrocken weitermacht und junge Talente fördert" ist nicht "verwunderlich", sondern im Lichte von Heikos Schilderung eher traurig. Ob er Rainar Nitzsche damit einen Gefallen tut, wenn er versucht, die Leser gleichsam aus Mitleid zum Buchkauf zu animieren?
Rundum gelungen ist dagegen das Interview mit Comic-Zeichner Joachim Guhde. Ebenso die meist ausführlichen und nachvollziehbaren Buch-, Film- und Fanzinebesprechungen. Die "News" leiden allerdings erheblich an der Verspätung des Heftes. Wie neu sind bis zu einem Jahr alte Neuigkeiten?
Es mag an den Umständen liegen: verglichen mit der Vornummer hat diese Ausgabe stark nachgelassen. Nicht nur daß weniger Leute daran beteiligt waren. Lediglich der sekundärliterarische Teil vermag an die 6.Ausgabe anzuschließen. Der Primärteil dagegen ist enttäuschend. Insgesamt wirkt TUMOR 7 wie eine Notausgabe oder eine Pflichtnummer. Es wäre schade, wenn das so bliebe.

Thomas Schmitz
Bochum



KAMAWAKAN
52 Seiten DIN A 4, Offset, Klebebindung.
Auflage: unbekannt, 8,00 DM.
Bezug: HONKER & FAUN EDITION, Tieckstr. 3, 30625 Hannover.

Diesmal meint es mein Armin gut mit mir bei der Auswahl der zu rezensierenden Fanzines. Nachdem ich mich oft genug beschwerte über die Armut an Bildern in vielen Fanpublikationen, habe ich tatsächlich einen Comic zugeschickt bekommen! Interessant in diesem Zusammenhang: Vor nur wenigen Tagen sagte Hans-Jürgen Janetzki vom Splitter Verlag zu mir, es gibt keine deutsche Comic-Szene, kaum ein Zeichner hat noch Lust, sich über Fanzines hochzudienen, zu lernen und am Ball zu bleiben, wenn es nicht ganz so läuft, wie erträumt. Manfred Lafrentz - eine rühmliche Ausnahme mit diesem Album?!
Was der Titel KAMAWAKAN bedeutet, erfährt der Leser aus dem Nachwort. Mir wäre es lieber, Autoren und Zeichner würden Vorworte schreiben, damit man auf die Lektüre eingestimmt wird. Bestimmt bin ich nicht die einzige, die in Konsequenz immer zuerst die ominösen Nachbemerkungen liest ... Darin erklärt Manfred, daß es sich bei "Kama" um einen Begriff aus dem Sanskrit handelt, der für Erotik im weiteren Sinn steht, und mit "Wakan" in der Sprache der Lakota-Indianer das Heilige und Spirituelle ausgedrückt wird.
Nun ahnt der Leser, was ihn erwartet: Auf rund 50 Seiten präsentiert Manfred eine Auswahl erotischer buddhistischer und indianischer Märchen in Form von sechs traditionellen und einer modernen Comic-Geschichte. Die Quellen der buddhistischen Märchen sind auch mir bekannt, so daß ich feststellte, daß es Manfred wirklich hervorragend gelungen ist, die wichtigsten Punkte der Handlung und die Aussage der Erzählung in überzeugende und verständliche Bilder umzusetzen. Seine Liebe zum Detail bei vielen Zeichnungen wird vom Format DIN A 4 gewürdigt.
Es sind keine Action-Comics im Stil diverser nordamerikanischer Superhelden-Serien, wie sie auch bei uns zunehmend den zuletzt arg geschrumpften Comic-Sektor wieder bereichern. Manfred bedient sich eines ruhigen Stils, bei dem Gesten und Mimik die wichtigsten Elemente sind, die strengen Panels nicht durchbrochen werden und die Ausdruckskraft der Märchen für sich spricht.
Allein die siebte Erzählung, in der Manfred kritisch seine Eindrücke von einer Reise nach Vancouver verarbeitet, empfinde ich als einen Stilbruch. Die nüchterne Gegenwartsanalyse, die mit den Träumen und Märchen Schluß macht, ist zu abrupt, zu kraß und paßt einfach nicht dazu. Um einen solchen Schlußpunkt zu setzen, hätte es m. E. schon in den vorherigen Geschichten eine bewußte Steigerung geben müssen, die vom klassischen Märchen wegführt zur modernen Erzählung.
Ob man sich das Album zulegt, weil man Comics und Märchen mag oder das erotische Element sucht, spielt keine Rolle, da Manfreds Werk in jeder Hinsicht wirklich gelungen ist!

Irene Salzmann
Kranzberg



SFGH-CHRONIKEN 181
32 Seiten DIN A 5, Kopie (verkl.), Mittelheftung.
Auflage: unbekannt, Kostenerstattung (bitte erfragen).
SFGH-CHRONIKEN 182
44 Seiten DIN A 5, Kopie (verkl.), Mittelheftung.
Auflage: unbekannt, Kostenerstattung (bitte erfragen).
Bezug: SCIENCE FICTION GRUPPE HANNOVER, Fred Körper, Ferdinand-Wallbrecht-Str. 82, 30163 Hannover.

Das Clubleben in der SCIENCE FICTION GRUPPE HANNOVER (SFGH) ist doch nicht zum Erliegen gekommen, wie die mir zugegangenen Ausgaben der SFGH-CHRONIKEN beweisen. Offenbar erscheinen sie jedoch nicht mehr monatlich: Die Nr. 181 trägt den Erscheinungsmonat Dezember 97 auf dem Cover, die Nr. 182 den Erscheinungsmonat Februar 98... Die Ausgaben (und die vorangegangenen ab der Nr. 177) beruhen zudem auf dem Engagement Wolfgang Thadewalds, der einen Großteil der Beiträge schrieb bzw. beschaffte. Die Mitgliederliste in den SFGH-CHRONIKEN 181 weist jedenfalls nur noch fünfzehn Mitglieder auf.
Die SFGH-CHRONIKEN des neuen Redakteurs bieten überwiegend sekundärliterarische Beiträge. In der Nr. 181 werden die Sieger des SFCD-Literaturpreises 97 vorgestellt, Wolfgang gibt "Die Geschichte des Vurguzz" preis - ein Beitrag, der vor allem für Fans interessant ist, deren Kredo "fandom ist a way of life" lautet - und Uwe Gehrke setzt seine Reihe über die BATTLE TECH-Serie fort, der eine gewisse kritische Distanz fehlt, die angesichts des offenbar militaristischen Charakters der BATTLE TECH-Romane angebracht erscheint. Abgerundet werden diese Texte durch einen weiteren fannischen Beitrag, und zwar durch den Bericht von Heinz Jürgen Ehrig über "Meine SF-Rundreise" (der gemeinsam mit Wolfgang Thadewald die 17. WETZLARER TAGE DER PHANTASTIK besuchte).
Anspruchsvoller geben sich die SFGH-CHRONIKEN 182. Klaus Carstens schrieb eine etwa achtseitige Abhandlung über die philosophischen Aspekte der Kurzgeschichte "Aus den Erinnerungen Ijon Tichys I" von Stanislaw Lem, die sich als sehr kompetent erweist. Es bleibt dennoch erstaunlich, wieviel Stoff zur Interpretation eine fünfzehnseitige Story in sich birgt... Ebenfalls sehr kompetent sind die Besprechungen von Franz Rottensteiner und von Dagmar Ende über sekundärliterarische Bücher über die frühe deutsche Science Fiction (wobei ich den Begriff "frühe deutsche Science Fiction" mit einer gewissen Vorsicht benutzen will, immerhin befassen sich die besprochenen Sekundärarbeiten mit Werken, die in der Jahrhundertwende bzw. bis zum Ende der Weimarer Republik erschienen sind), aber im Grunde nur interessant für Leser und Sammler, deren Interessengebiet auch diese SF-Epoche umfaßt.
Bei der Ausfall der Kurzgeschichten bewies Wolfgang Thadewald eine glückliche Hand. Sowohl "Der Zauberspiegel" von Peter Janetzko (Nr. 181) als auch "Funkstille" von Walther Ulrich Erwes sind sehr unterhaltsam. Erstere ist ein romantisches Märchen um einen Spiegel mit einer besonderen Fähigkeit, zweitere eine ernsthafte Story, die nach den Grenzen wissenschaftlicher Forschung fragt, aber etwas unplausibel ist. Es hätte den Wissenschaftlern klar sein müssen, daß ein isoliertes Paar, dem ein menschheitvernichtender Atomkrieg vorgegaukelt wird, Selbstmord begeht; eines entsprechenden Versuches hätte es nicht mehr bedurft... Der Redakteur hat außerdem mit Elvira Schmidt und Miriam Heinze zwei vielversprechende Zeichnerinnen entdeckt, denen auch Veröffentlichungen außerhalb der SFGH-CHRONIKEN zu wünschen sind.
Die von Wolfgang Thadewald zusammengestellten SFGH-CHRONIKEN sind vielfältig und abwechselungsreich, auch wenn sie teilweise aus Nachdrucken bestehen (was aber bei einem Zine mit einer vermutlich sehr geringen Auflage verständlich ist). Es ist natürlich problematisch, wenn das Erscheinen eines Fanzines von nur einem Mitarbeiter abhängig ist. Deswegen sollte die Wiederbelebung der SFGH-CHRONIKEN nicht nur durch Bestellungen unterstützt werden; ich nehme an, daß die SFGH auch Beiträgen von Nichtmitgliedern für ihre CHRONIKEN aufgeschlossen gegenübersteht.

Armin Möhle
Wallenhorst



SOLAR-X 94
48 Seiten DIN A 5, Kopie (verkl.), Mittelheftung.
Auflage: 95 Exemplare, 3,50 DM, 12er-Abonnement 40,00 DM.
Bezug: ANDROMEDA SF-CLUB HALLE, Wilko Müller jr., Volhardstr. 20, 06112 Halle/S.
Bankverbindung: Bayerische Vereinsbank (BLZ 800 200 86), Konto 7800444.

Passend zur Weihnachtszeit wird einem in der Dezember-Ausgabe von SOLAR-X so richtig warm ums Herz: Nancy Etchemendys Kurzgeschichte "Der unglaubliche Weihnachtswunsch" um ein Mädchen, das felsenfest behauptet, der Weihnachtsmann habe ihm im sonnigen Kalifornien Schnee zu Weihnachten versprochen, erinnert uns an all die rührseligen Weihnachtsfilme, die wir im Fernsehen so richtig satt haben. Und auch hier hat alles sein Happy End: Ein plötzlich auftauchender Karton mit echtem tibetischem Schnee bestärkt uns alle in dem Glauben, daß es den Weihnachtsmann doch gibt. Natürlich hat diese Geschichte ihren Reiz nach den jüngsten Auswirkungen der Klimakatastrophe völlig verloren, die schließlich dazu führen, daß es auch in Ägypten und im sonnigen Kalifornien tatsächlich mal schneit.
Wenn man sich aber trotzdem die weihnachtliche Träne verdrückt hat, kann man sich wieder der altbewährten Mischung widmen, die Wilko Müller der Jüngere und seine Gefolgsleute uns auf den Gabentisch gelegt haben. Das kann durchaus gefallen: Abermals ist es der sekundärliterarische Teil, der uns überzeugt. Neben Rezensionen zu Büchern werden auch Filme und Hörspiele besprochen und das wie immer ausführlich und kritisch. Sehr schön auch die Tatsache, daß Kleinverlage und ihre Publikationen adäquate Beachtung finden. Schließlich hat sich in diesem Bereich gerade in den letzten Jahren eine ganze Menge getan, was Aufmerksamkeit verdient. Gewürzt wird das Ganze durch zwei Conberichte und eine Reihe von wirklich schönen Grafiken.
Leider hat Wilko die Chance nicht genutzt, eine richtige Weihnachtsausgabe zusammenzustellen - gerade im phantastischen Bereich kann man die Tatsache, daß ein alter Mann auf einem von Rentieren durch die Lüfte gezogenen Schlitten über die Kontinente düst doch hervorragend ausschlachten (und es gibt auch bessere Weihnachtsgeschichten als das Rührstück in dieser SOLAR-X-Ausgabe). Aber ungeachtet dessen liest man auch die Nr. 94 mit voller Vorfreude auf das kommende Jahr - denn dann erwartet uns ja die Nr. 100, für die wir eine Menge erhoffen können. Armin, die will ich rezensieren!
Fazit: Wie immer grundsolider und verläßlicher Lesestoff der oberen Kategorie!

Dirk van den Boom
Münster



R WIE RHODAN
92 Seiten DIN A 5, Offset, Klebebindung.
Auflage: 700 Exemplare, 6,00 DM.
Bezug: SFCD, Andreas Kuschke, Billerbeck 25, 29465 Schnega.
Bankverbindung: Saar Bank eG (BLZ 591 900 00), Konto 00 11 33 11.

Anno 1967 besprach Jürgen Nowak mit R WIE RHODAN die PR-Heftromanserie, der SFCD bringt dies nun 1997 neu heraus. Der Zeichner Mario Kwiat, 1991 verstorben, kann den späten Ruhm für seine gelungenen Illustrationen leider nicht mehr ernten.
R WIE RHODAN erinnert uns unbarmherzig daran, welch starken Tobak uns die PR-Autoren allwöchentlich vorsetzen, wie verwegen und gnadenlos bunt die Handlung geführt wird - wenn nicht in jedem Einzelfall, so doch in ihrer Gesamtheit jeder Wahrscheinlichkeit spottend. Neuerdings versucht sich ja auch eine frische US-amerikanische Ausgabe als "Space Adventure Series" zu verkaufen, und selbst in Deutschland lautet der Untertitel "Weltraumserie" statt "Science Fiction".
Besonders in jenen ersten wenige hundert Romanen, die 1967 schon erschienen waren, wurde forsch, zuweilen markig und inhaltlich oft unbekümmert geschrieben; Jürgen Nowak entlarvt billig konstruierte Rechtfertigungssituationen und schablonenhafte Charakterisierungen, vor allem bei PR selbst, für den er das Fazit "Wundertier" findet.
Zur Zielscheibe seines Spotts wird ebenso die Feinabstimmung unter den Autoren; sehr oft wußte eine Hand nicht, was die andere tat; Stringenzvorstellungen, wie sie das - mittlerweile fünfbändige - PR-Lexikon hervorruft, zerbröseln unter seinen präzisen Analysen zumindest für die bis 1967 erschienenen Romane. Zeitweise macht das Spaß, manchmal wirkt es allerdings auch kleinkariert und ermüdend - von anderer Seite wurde es bereits als "Erbsenzählerei" bezeichnet. Die Schattenseiten der Satire tun sich auf, wenn jemand vor lauter Lästern einen Witz in der Vorlage nicht mehr erkennt und meint, aus den vermeintlichen Absurditäten einen eigenen Gag schmieden zu können. Dieses aus mancherlei mißlungener Parodie bekannte Phänomen ist in R WIE RHODAN ansatzweise bei der Kritik von Liebschaften in der PR-Serie auszumachen; dort, wo sich die Serie für damalige Sittlichkeits- und Jugendschutzvorstellungen "etwas erlaubte", wittert Jürgen Nowak gerade Prüderie. Aber vielleicht mag er das als Zeitgenosse auch des Jahres 1967 besser wissen.
Auf jeden Fall war er mit Spaß dabei, als er R WIE RHODAN schrieb; die Besprechung ist mit soviel Sprachwitz überladen, daß man teilweise aus dem Lachen, teilweise aber auch aus dem Stutzen nicht mehr herauskommt. Weder als Mahner noch als Besserwisser tritt Jürgen Nowak auf, sondern eher als Eulenspiegel, der sich herzhaft über allerlei Unvollkommenheit mokiert und selbst mit einer Vielzahl ins Mark treffender Seitenhiebe nur erheitern und zur Verbesserung ermuntern will. Die Angriffe gegen inhaltliche Brüche tun an sich schon kaum weh, noch weniger allerdings, wenn man bedenkt, daß es in den Wissenschaften immer wieder ähnlich im Gebälk kracht, z. B. wenn Vertreter verschiedener Fachrichtungen verständnislos aufeinanderprallen oder Argumente außerhalb der bestehenden Dogmatik gesucht werden - ein Vorgang, der dort sogar heilsam sein kann, indem er festgefahrene Fehlvorstellungen untergräbt, während hier nur mangelnde Sorgfalt waltet. Unterhaltung ist das Zauberwort, das Jürgen Nowak über manchen Mangel hinwegtröstet. Wirklich böse Attacken, z. B. wegen Militarismus, Schwarzweißmalerei oder verquerer Darstellung von Politik, gibt es nicht.
R WIE RHODAN ist wie ein wilder Ritt durch unwegsames Gelände - verspielt, lästerlich und doch der Serie verfallen.

Clemens Nissen s. ps.
Neuenburg



SF PERSONALITY 8: MARION ZIMMER BRADLEY
102 Seiten DIN A 5, Kopie (verkl.), Klebebindung.
Auflage: 100 Exemplare, 11,50 DM.
Bezug: Hardy Kettlitz, Ilsenhof 12, 12053 Berlin.

Auch die US-Amerikanerin Marion Zimmer Bradley zählte eine Zeitlang zu meinen bevorzugten Autorinnen und Autoren. Ich lernte sie vor allem durch die umfangreicheren Romane ihres DARKOVER-Zyklusses zu schätzen, die komplexe und farbige Handlungen sowie glaubwürdige Protagonisten boten. Der DARKOVER-Zyklus ist auf einem verlorenen und später wiederentdeckten menschlichen Kolonialplaneten angesiedelt, auf dem sich im Laufe der Jahrtausende die feudalistische, von PSI-Kräften geprägte darkovanische Gesellschaft entwickelte. Die in sich abgeschlossenen Romane schildern Ereignisse in der darkovanischen Gesellschaft und/oder den Zusammenprall mit der gänzlich anderen terranischen Kultur nach der Wiederentdeckung Darkovers.
Der DARKOVER-Zyklus hat die Autorin unter den SF- und Fantasy-Lesern bekannt gemacht, durch ihren voluminösen Roman DIE NEBEL VON AVALON, einer Nacherzählung der Artus-Sage aus weiblicher Sicht, wurde sie in einem weitaus größeren Leserkreis populär. Mich hatten bereits die letzten DARKOVER-Romane, die feministisch angehauchten Bände GILDENHAUS THENDARA und DIE SCHWARZE SCHWESTERNSCHAFT sowie das belanglose Buch DIE ERBEN VON HAMMERFELL, der Autorin entfremdet, was dadurch verstärkt wurde, daß mythische Stoffe nicht zu meiner bevorzugten Lektüre gehören... Ich muß aber einräumen, daß mich dies nicht daran gehindert hat, mittlerweile drei Kurzgeschichten im DARKOVER-Universum anzusiedeln.
Der achte Band der ambitionierten SF PERSONALITY-Reihe, in dem bislang die Arbeiten von Murray Leinster, Henry Kuttner/C. L. Moore, H. Beam Piper, Leigh Brackett, George R. R. Martin, Gustav Meyrink und William Tenn vorgestellt wurden, beschäftigt sich mit Marion Zimmer Bradley und ist deshalb für mich von besonderem Interesse. Die Autorin ist Sabine Kauffeld. Man muß natürlich ein Fan bzw. eine Fanin sein, um eine solche Arbeit auf sich zu nehmen: Sabine stellt jeden Roman und jede Kurzgeschichte Zimmer Bradleys, chronologisch geordnet, vor und versieht sie mit kritischen Anmerkungen, was eine anerkennenswerte Fleißarbeit ist. Angesichts der Produktivität der Vielschreiberin Zimmer Bradley mag es dem Leser schwerfallen, den Überblick über ihr Werk nicht zu verlieren, aber das nimmt ihm vorliegende Ausgabe natürlich ab, die bereits dadurch zu dem bislang umfangreichsten SF PERSONALITY-Band geworden wäre.
Ein abschließendes Resümee, eine Gesamtwürdigung des Werkes von Zimmer Bradley fehlen jedoch, obwohl es für die SF PERSONALITY-Mitarbeiter bislang Pflicht gewesen war, die Autorinnen und Autoren, mit denen sie sich beschäftigten, abschließend zu bewerten, was insbesondere auch bei Zimmer Bradley notwendig gewesen wäre. Bereits die Romane des DARKOVER-Zyklus weisen erhebliche Qualitätsunterschiede auf, die zyklusunabhängigen SF-Romane der Autorin sind bis auf ein oder zwei Ausnahmen bedeutungslos, die zahlreichen Kurzgeschichten Zimmer Bradleys sind dagegen ausgesprochen ideenreich und die Frage, ob DIE NEBEL VON AVALON und die folgenden, thematisch ähnlichen Romane noch eigenständige Werke darstellen, hätte ebenfalls Gegenstand einer näheren Erörterung sein müssen.
Stattdessen enthält SF PERSONALITY 8 ein etwa dreißigseitiges Register der Protagonisten aus dem DARKOVER-Zyklus, ergänzt um diverse Familienstammbäume. Es wäre sinnvoller gewesen, diese Beiträge als separate Publikation den potentiellen Interessenten, also den DARKOVER-Fans anzubieten, oder auf sie zu verzichten. Den Zimmer Bradley- und den DARKOVER-Fans bietet SF PERSONALITY 8 einen gelungenen Überblick über das umfangreiche, aber auch zwiespältige Werk der Autorin, ansonsten ist das Manko der fehlenden Gesamtwürdigung in Kauf zu nehmen, weshalb dieser Band vielleicht die schlechteste Ausgabe der SF PERSONALITY-Reihe darstellt.

Armin Möhle
Wallenhorst



QUASAR 17: DER KELCH VON ARIGARH
36 Seiten DIN A 5, Kleinoffset, Mittelheftung.
Auflage: 150 Exemplare, 3,00 DM.
Bezug: PRBCBS, Uwe Brunzlow, Klarastr. 15a, 55116 Mainz.
Bankverbindung: Mainzer Volksbank (BLZ 551 900 00), Konto 550 490 19.

Longstories werden ungern von Fanzineherausgebern abgedruckt. Die Gründe sind vielfältig: Nicht nur wird einem Autoren erheblich mehr Platz eingeräumt als seinen Kollegen, es wird auch befürchtet, daß die erschlagende Textmasse, vor allem wenn sie kaum von Illustrationen aufgelockert wird, von niemandem gelesen wird. Hinzu kommt, daß nicht jeder Autor in der Lage ist, interessante Charaktere und einen Spannungsbogen aufzubauen, durch die sich die Leser über mehrere Seiten fesseln lassen.
Fantasy-Stories sind auch nicht jedermanns Sache. Die einen lieben sie, einschließlich sämtlicher Klischees in der xten Wiederaufbereitung, andere lehnen sie grundsätzlich ab, allein schon des Genres wegen. Der angeschlagene Ruf liegt leider auch darin begründet, daß die Themen reichlich ausgeschöpft sind, wenig Neues gebracht wird, sowohl Profi- wie auch Fanautoren an Filmen und Rollenspielen von guten und bösen Elfen, edlen und schurkischen Rittern, häßlichen Orks und verführerischen Superfrauen festhalten, Qualität ein Fremdwort zu sein scheint - und wer mag immer denselben &/%$§! lesen?
Ich verreiße ungern Stories, doch diese Geschichte von Jörg Dirks ist leider ein typisches Beispiel, wie man eine Fantasy-Longstory nicht schreiben und schon gar nicht unter die armen Leser verbreiten sollte.
Analog dem ollen Gral, nach dem Artus, Parzival und Konsorten stets auf der Jagd waren, steht - wie der Titel unschwer erraten läßt - im Mittelpunkt dieser Erzählung ein heiliger Kelch, der von edlen Rittern und keuschen Priesterinnen bewacht wird. Klar, daß ein Bösewicht sich unter die Guten mischt und nach einer kleinen Metzelei der Kelch in die Hände der üblen Königin gelangt, die sofort Verderbnis über fast die ganze Welt bringt. Metzel. Eine kleine Gruppe Helden überlebt, das Böse wird für diese Episode vertrieben, und eine Fortsetzung droht (Oh, Armin, laß diesen Kelch an mir vorübergehen!).
Das Lesen war wirklich eine Qual, und noch vor dem dritten Kapitel bin ich eingeschlafen (ehrlich - sonst schafft das nur der Fernseher!), um mich dann nach dem Aufwachen doch noch durch den qualvollen Rest zu quälen. Selbst wenn man die simple, abgedroschene Handlung, die schablonenhaften, weinerlichen Charaktere, das totale Fehlen eines Spannungsbogens, die gestelzten Dialoge und wiederholten, faden Beschreibungen außer acht läßt, findet man noch genug Mängel stilistischer Art, Wortwiederholungen, Phrasen, Grammatikfehler und, und, und. Hat sich denn niemand die Mühe gemacht, das Skript korrekturzulesen?!
Beispiele, die für sich sprechen:
"(...) daß man auch den Haupthof für den Handel freigegeben hatte. Dort durfte natürlich kein Vieh gehandelt werden. So herrschte ein reges Treiben der Menschen zwischen beiden Höfen, denn jeder Bauer handelte mit den Gütern, die es zu dieser Jahreszeit zu handeln gab." (Seite 1).
"Er lag von lebenden Wesen entblößt vor mir. Niemand der dort lag schien noch zu leben." (Seite 8).
"(...) daß sie durchbrechen konnten, konnten wir die Verfolgung der Feinde erst in Angriff nehmen, wenn wir für den Burggraben eine neue Überquerung geschaffen hatten, über die auch Pferde gelangen konnten." (Seite 8).
Auch die Namengebung ruft gewisse Assoziationen wach:
Der Kelch von Arigarh - Theta von Ariga, Fürst Opla von Mozilla - Opel und Gozilla, Kassis - Johannisbeerlikör, die M’hedda - die Edda usw.
Front- und Backcover sind der Tatort von Smiley (hä?) Klaus G. Schimanski und ganz nett anzuschauen. Für die Johannisbeerentussi stand offensichtlich Cher Pate.
Bedauerlicherweise ist dieses Fanzine keine Empfehlung für Fantasy- und Longstories. Selbst den eingefleischten Genre-Fans dürfte diese Lektüre Haarausfall verursachen.

Irene Salzmann
Kranzberg



SOLAR-X 95
48 Seiten DIN A 5, Kopie (verkl.), Mittelheftung.
Auflage: 95 Exemplare, 4,00 DM, 12er-Abonnement 45,00 DM.
Bezug: ANDROMEDA SF-CLUB HALLE, Wilko Müller jr., Volhardstr. 20, 06112 Halle/S.
Bankverbindung: Bayerische Vereinsbank (BLZ 800 200 86), Konto 7800444.

Den Schwerpunkt in dem üblichen Rezensionsprogramm bilden in SOLAR-X 95 die Besprechungen über ALIEN - DIE WIEDERGEBURT, sowohl des Films als auch der Romanversion. Sie sind ein schönes Beispiel dafür, wie subjektiv trotz der Kompetenz des Verfassers Rezensionen sein können: "Wenn man ALIEN 4 - DIE WIEDERGEBURT verpaßt hat, dann... hat man was verpaßt" lautet das Fazit von Wilko Müller jr. Ich muß einräumen, daß ich bei der Fernsehausstrahlung von ALIENS - DIE RÜCKKEHR nach etwa einer Stunde gelangweilt abgeschaltet habe, weil ich es uninteressant fand, Ripley und eine Handvoll Marines durch die Gänge einer Bodenstation stolpern zu sehen... Aber auch ALIEN - DIE WIEDERGEBURT wird mich aufgrund der Informationen, die Wilko über den Film gibt, allenfalls vor die Mattscheibe locken.
Die erste der drei Stories in SX 95, "Neurochips" von Andreas Gruber, erinnert an den Film DIE 27. ETAGE mit Gregory Peck in der Hauptrolle, womit ich aber nicht den Vorwurf eines Plagiats aussprechen will. In beiden Arbeiten entdecken die Protagonisten, daß sie über falsche Erinnerungen verfügen. In "Neurochips" wurden sie der Hauptfigur aber absichtlich eingepflanzt, jedoch wurde - was nicht besonders plausibel erscheint - versäumt, die Menschen in seiner unmittelbaren Umwelt mit kompatiblen Informationen zu versehen, so daß er schnell Widersprüche aufdeckt. Die Pointe ist zwar nicht überraschend, ansonsten aber wird die Story gut erzählt.
Starke Worte wurden der Kurzgeschichte "Sieg Heil" von Peter Schünemann vorangestellt: "Der Text... ist brisant (?)... aber wer ihn mißversteht, der hat ihn nicht verstanden. Die Geschichte braucht keine Rechtfertigung des Herausgebers (...). Nicht, weil sie Bilder verwendet, die bestimmte, üble Assoziationen hervorrufen, sondern weil sie zum Nachdenken anregt. Wem das nicht so geht, dessen IQ dürfte seiner Knobelbechergröße adäquat sein." Weshalb offenbar befürchtet wird, daß Leser dem Autor die Verbreitung der Nazi-Ideologie unterstellen könnten, ist mir nicht klar. Die Aggressivität von faschistischen Regimen sowohl nach innen als auch nach außen ist eine historische Tatsache, weshalb der Plot der Story keineswegs unplausibel ist. Die SX-Redaktion sollte durchaus etwas Vertrauen in ihre Leser setzen... In "Sieg Heil" haben die Deutschen den Zweiten Weltkrieg gewonnen und die Erde zwischen sich, Amerika, Rußland und Japan aufgeteilt. Nach 40 Jahren Frieden entdecken die Nazis den Weg in Parallelwelten. Die, die sie überfallen, ist offenbar unsere.
Problematisch erscheint an "Sieg Heil" vielmehr eine logische Unstimmigkeit. Die NS-Truppen werden zurückgerufen, weil der Heimatwelt eine Reihe von unerklärlichen Todesfällen aufgetreten sind. Der Autor möge es mir nachsehen, daß ich die Pointe seiner Story offenbare, ansonsten könnte ich diesen Aspekt aber nicht erörtern: In der NS-Welt sind die Menschen gestorben, die auch bei der Nazi-Invasion in die Parallelwelt ums Leben kamen. Das würde bedeuten, daß in jeder Parallelwelt dieselben Menschen leben. Wieso jedoch existiert in unserer Welt nicht jener Sohn Hitlers, der in der NS-Welt den Angriff auf die Parallelwelten befiehlt?! Immerhin müßte aber wegen dieser Pointe auch der unsensibelste SX-Leser bemerken, daß "Sieg Heil" keineswegs der niedergeschriebene Traum eines Alt- oder Neonazis ist.
"Der weiße Tod" von Eddie Angerhuber ist im Inhaltsverzeichnis unter der Horror-Rubrik ausgewiesen. Die Story läßt sich jedoch ebenso gut als die Schilderung einer Beziehungskiste verstehen. Ein arbeitsloser Künstler und seine Partnerin suchen Schrottplätze nach geeigneten Bestandteilen für seine Skulpturen ab. Sein neuestes Werk scheint einen unheilvollen Einfluß auf ihn auszuüben, doch die Auseinandersetzung zwischen ihm und seiner Freundin am Ende der Story ist auf übermäßigen Alkoholkonsum zurückzuführen. Hierin liegt der Reiz der Story, indem sie sich nicht festlegt, ob tatsächlich Einflüsse außerhalb der menschlichen Erfahrungen für die Veränderung des Protagonisten verantwortlich sind. "Der weiße Tod" ist weitschweifiger als die SF-Stories in dieser SX-Ausgabe, aber das ist für (Nicht-?) Horror-Stories offenbar typisch.
SOLAR-X 95 bietet neben den überwiegend guten sekundärliterarischen Beiträgen mehr Kurzgeschichten als üblich, die ebenfalls zufriedenstellen, jedoch weniger zu Widerspruch herausfordern als es die SX-Redaktion vielleicht erwartet.

Armin Möhle
Wallenhorst



HIRNGESPENSTER 4
76 Seiten E 5, Kopie, Mittelheftung.
Auflage: unbekannt, 11,50 DM.
Bezug: Ralf Leismann, Am Fischerhof 2, 59369 Werne.
Bankverbindung: Volksbank Kamen-Werne eG (BLZ 443 613 42), Konto 20292100.

Da blickt der Rezensent leicht gelangweilt auf PERRY RHODAN- und BABYLON 5-Fanzines sowie einige Fortsetzungsgeschichten und fragt sich, wo eigentlich die guten, engagierten Fanzines geblieben sind, die es sich schlicht zur Aufgabe gemacht haben, schöne Stories, Comics, Zeichnungen und Lyrik zu veröffentlichen - und das alles möglichst noch ohne übertriebenen Schnickschnack und pseudoprofessionelles Gehabe!
Hier ist eines!
HIRNGESPENSTER 4 ist eine Sammlung von Kleinodien. Phantastische Geschichten auf 76 Seiten, garniert mit witzigen, skurrilen und zum Teil tiefschwarzen Kurzcomics und Cartoons, ergänzt durch schöne Illustrationen in einem knappen, sauberen Layout - und das auch noch offensichtlich ohne Computer und Laserdrucker gesetzt! Als ich das Heft durchgelesen hatte, schüttelte ich den Kopf: Konnte es sowas wirklich geben? Kaum ein wirklich schlechter Beitrag! Abwechslungsreiche Geschichten, gut geschrieben! Unterhaltsame Comics - und selbst die Lyrik, in phantastischen Zines sonst immer Ursache für gequälte Grimassen, erwies sich als intelligent, nicht aufgesetzt und vor allem alles andere als schwülstig.
Gregor Beckmanns Einleitungscomic "Political correctness im Bett" räumt auf mit den linksalternativen WG-Softies, die jeden Koitus theoretisch durchdiskutieren müssen. Ralf Neuradts anschließende Geschichte "Full House" ist eine nette kleine Gangsterstory, die mich unwillkürlich an Robert Redford und THE CLOU erinnerte. Etwas ab fällt Gregor Beckmanns Story "Und sie wissen, was sie tun", in der ein Alien seine kranke Frau zur Erde bringt, um sie dort heilen zu lassen, dann aber sofort wieder abzieht, weil er nicht glauben kann, daß auf einer Welt Hilfe für ihn möglich ist, die ihresgleichen verhungern läßt - der moralische Zeigefinger wird hier dem Leser förmlich ins Auge gestoßen und sowas sollte man immer vermeiden. Dann aber beglückt uns die dreifache Mutter Irene Salzmann mit einem Lehrstück über antiautoritäre Erziehung und ihre Folgen - vermutlich ein Beispiel aus der eigenen, umfangreichen Erfahrung mit den wilden Rackern anderer Eltern. Die zahlreichen Kurz- und Kürzestgeschichten von Ralf Neuradt sind jedoch das edle Gewürz in der feinen Suppe, die dem Leser mit diesem Fanzine vorgesetzt wird. Sie sind fast alle ironisch-distanziert, in jedem Falle aber lebendig und zumeist interessante Charakterstudien und ausgesprochen unterhaltsam. Der Gipfel der Cartoonkünste ist auf Seite 72 zu begutachten, der uns in die profanen Abgründe deutscher Bürgerlichkeit entführt (zumindest ist es mir so vorgekommen).
HIRNGESPENSTER 4 ist ein unaufdringliches, vielfältiges, sehr unterhaltsames und intelligent zusammengestelltes Fanzine von einer Art, die ich lange vermißt habe. Dem Herausgeber Ralf Leismann kann bescheinigt werden, hier ausgezeichnete und vorbildliche Arbeit geleistet zu haben. Das Heft wirkt einfach und überzeugt durch die Beiträge, nicht durch grafischen Schnickschnack. Es ist bedenkenlos zur Lektüre zu empfehlen und seinen Preis mehr als wert - so mancher DTP-Virtuose kann sich hier ein paar Tips für gute herausgeberische Tätigkeit abholen!

Dirk van den Boom
Münster



TUMOR SONDERHEFT 1: DÄMONEN
52 Seiten DIN A 4, Offset, Mittelheftung.
Auflage: unbekannt, 6,80 DM.
Bezug: Heiko Henning, Sandweg 38, 20257 Hamburg.

Mit Dämonen ist nicht zu spaßen. Das muß auch Gregor Bonhoff feststellen. Der gesellschaftliche Underdog wird von seinen Arbeitskollegen ständig gehänselt, bei den Frauen bleibt er unbeachtet und der Schönste ist er auch nicht. Wenn er diesen körperlichen Mangel wenigstens mit Witz und Charme wettmachen könnte? Aber auch da fehlt es ihm an der nötigen Schlagfertigkeit und dem Selbstvertrauen.
Aber all das soll sich ändern. Ein fremder Mann bietet Gregor in seiner Stammkneipe zwischen zwei Bier die Lösung all seiner Probleme an. Er müsse nur an drei Nächten einen Zauberspruch aufsagen und schon würde sein Leid ein Ende haben. Über die Art der Bezahlung schweigt sich der Fremde weitgehend aus. Aber das bittere Ende kommt unweigerlich. Natürlich möchte der Dämon, der Gregor nicht nur einen schönen, athletischen Body verschafft, sondern auch berufliche Anerkennung und Erfolg bei den Frauen, für seine Dienste eine Entlohnung. Er schickt Gregor böse Träume und weidet sich daran. Gregor kann sein neues Leben und seinen Erfolg nicht mehr genießen und sinnt auf Abhilfe. Doch er kommt vom Regen in die Traufe. Der nächste Dämon, dem er sich verschreibt, schickt ihm die Pocken und bald liegt er sterbenskrank auf einer Quarantänestation. Nur mit Hilfe des Fremden aus der Kneipe und seiner neuen Freundin gelingt es ihm in letzter Minute, auch diesen todbringenden Dämon loszuwerden und gegen einen neuen - diesmal eine Dämonin - auszutauschen. Es soll Gregors letzter Tausch sein. Die Szenen des Romans, in denen Gregor feststellt, welche Bewandtnis es mit seiner neuen dunklen Partnerin hat, sind noch die besten im ganzen Werk.
Für Gregor kommt es jedoch, wie es kommen muß. Nachdem er all seine Freunde verloren hat, nimmt er selbst den Kampf gegen die dämonische Unterwelt auf - und unterliegt.
Diese kurze Zusammenfassung macht vielleicht nur unzureichend deutlich, welches Potential in der Geschichte liegt, die Birgit Menzel geschrieben hat. Sie hat dieses Potential jedoch nicht umsetzen können. Generell ist es keine kleine Leistung, eine Geschichte mit dem Umfang eines Taschenbuches zu schreiben (50 Seiten Text, zweispaltig, kleine Schrift, kaum Rand, dürften gut und gerne etwa 180 bis 200 Taschenbuchseiten entsprechen). Die Geschichte hat von der Anlage das Potential, um über eine längere Strecke zu tragen (King hätte eine Trilogie daraus gemacht), doch Birgit fehlt ein wenig das erzählerische Geschick, es umzusetzen. Oftmals erzählt sie wichtige Szenen nur indirekt, so daß sie keine Wirkung entfalten können. Dabei kann sie es anders. Das deutet sie in einigen Szenen an. Der Fortgang der Handlung macht manchmal den Eindruck, als wenn Birgit zum Zeitpunkt des Schreibens selbst nicht genau wußte, wie es denn weitergehen soll. Hin und wieder merkt sie selbst die Widersprüche und schiebt, eine Seite später, eine Erklärung nach.
Aber leider ist das nicht alles. Über einige kleine logische Fehler im Handlungsverlauf könnte man noch hinwegsehen. Schließlich möchte man irgendwann wissen, wie der verdammte Gregor Bonhoff sein schlechtes Ende nimmt!
Aber leider weist Birgits Erzählweise auch erhebliche stilistische und grammatikalische Mängel bzw. Fehler auf. Den Konjunktiv beherrscht sie nur zufällig. Und Sätze wie "In dem ehemaligen Haus, wo er wohnte, gab es einen abgefahrenen Typen, der Joe hieß und von dem sein Nachbar Frank Waldschmidt behauptete, daß er ständig mit heißer Ware aus Einbrüchen dealte." finden sich leider nur zu häufig. Oftmals ist Birgit sich stilistisch und grammatikalisch so unsicher, daß sie genau das Gegenteil von dem schreibt, was sie eigentlich sagen möchte. Schriftsprache und Alltagssprache sind bei ihr eins. Das mag als Stilmittel, z. B. bei direkter Rede, sehr sinnvoll sein, als durchgängiger Erzählstil eines ganzen Romans ist es untauglich.
Ein sehr guter und geduldiger Lektor hätte viele Fehler und Schwächen des Romans ausbügeln können. Die erzählerischen Mängel lassen sich aber nur durch eine gründliche Überarbeitung beheben, die selbst ein Lektor nicht leisten kann.
Der TUMOR-Redaktion muß man den Vorwurf machen, den Band recht lieblos gestaltet zu haben. Zwar wurde das Titelbild extra für den Roman angefertigt, aber das ist auch das einzig Positive an der Ausgestaltung des Heftes. Denn es erwarten den Leser fünfzig Seiten enger Zweispaltensatz, ohne eine einzige Auflockerung, selbst die Rückseite wurde bis zur letzten Zeile bedruckt. Dafür fehlt ein Impressum, nirgendwo ist eine Bezugsadresse angegeben, und vielleicht wäre es auch ganz nett gewesen, ein paar Worte über die Autorin anzufügen. Wenn schon ein Sonderband, dann wäre auch hier ein wenig mehr Mühe und Sorgfalt ratsam gewesen.
Wirklich nett ist allerdings der Preis. Für ein Taschenbuch diesen Umfanges hätte ich im Buchladen bestimmt das Dreifache bezahlt. Und mich dreißigmal mehr geärgert, es gekauft zu haben. Und trotz alledem ist die Geschichte, die Birgit erzählt, spannend. Man liest sie bis zum Ende und kann bei der ganzen Kritik daran, nicht einmal sagen, daß sie einem nicht gefallen hätte.

Holger Marks
Marburg



Der FANZINE-KURIER erscheint in der EDITION WHISPERING TIMES.

Herausgabe, Redaktion und Vertrieb:
Armin Möhle
Eibenweg 18
49134 Wallenhorst.
E-Mail: armoe@gmx.de

Preise: Einzelexemplar 1,20 DM, Jahresabonnement (6 Ausgaben) 6,00 DM (in Briefmarken oder als Verrechnungsscheck).

Mitarbeiter dieser Ausgabe: Dirk van den Boom, Holger Marks, Clemens Nissen s. ps., Irene Salzmann, Thomas Schmitz. 
Auflage: 60 Exemplare. 

Für Rezensionsexemplare sind wir stets sehr dankbar!