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76
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Werte Leserinnen und Leser,

ein Teil der Rezensionen in dieser Ausgabe sind "Nachzügler". Die Besprechung über LEGENDENSÄNGER-EDITION 55: SCHWERTMACHT lag mir bereits beim Redaktionsschluß des FANZINE-KURIER 75 vor; die Rezensionen über SOLAR-X 79, NIGHTLIFE 5 und über DIFFERENT FREQUENCIES 0 sollten im FK 75 erscheinen, erreichten mich jedoch nicht rechtzeitig (was keine Schuldzuweisung darstellen soll). In jedem Fall hätten diese vier Rezensionen keinen Platz im FK 75 gefunden, es sei denn, ich hätte den Umfang auf 24 Seiten erhöht... Die eine oder die andere Korrektur gibt es außerdem zu vermerken: Die korrekte Anschrift von der MORE TALES OF BLOOD AND LOVE-Herausgeberin Charlotte Engmann lautet selbstverständlich Am Tunnel 2, 50374 Erfstadt, und BONSAI-Macher Peter Fleissner wohnt natürlich in der Eichenallee 9 (nicht Eichenstr.), 63457 Hanau.

Im FANZINE-KURIER 76 werden voraussichtlich Besprechungen über TÄNZER 9, TUMOR 6, FURTHER TALES OF BLOOD AND LOVE, SOLAR-X 82, DIE GRAUE ALLIANZ 2: KÄMPFE UM DIE MACHT, PARADISE 20, SOL 4, GESCHICHTEN DER NACHT 16 sowie über das ANDROMEDA SCIENCE FICTION MAGAZIN 138 erscheinen. Die Besprechungen über die ANDRO-Ausgabe und über SOL 4 liegen bereits vor, können aber aus Platzgründen nicht mehr in der dieser Ausgabe abgedruckt werden kann.

Viele Grüße

Armin Möhle


SOLAR-X 78
KOPFGEBURTEN 8: FEUERLAND
VURGUZZ CLASSIC 11
PLEIN TARIF 1, 2
NIGHTLIFE 5
SOLAR-X 80
LEGENDENSÄNGER-EDITION 55: SCHWERTMACHT
TERRAsse-SONDERHEFT
SOLAR-X 81
DIE GRAUE ALLIANZ 1: DIE SCHATTEN DER VERGANGENHEIT
DIFFERNET FREQUENCIES 0



SOLAR-X 78
40 Seiten DIN A 5, Kopie (verkl.), Mittelheftung.
Auflage: 95 Exemplare, 3,50 DM, 12er-Abonnement 40,00 DM.
Bezug: ANDROMEDA SF-CLUB HALLE, Wilko Müller jr., Volhardstr. 20, 06112 Halle/S.
Bankverbindung: Bank 24 (BLZ 380 707 24), Konto 111445300.

Was tut der Fandomler, dem gerade ein anderer Fan auf einem Con sein neuestes Zine in die Hand gedrückt hat? Nein, er liest nicht zuerst die Rezension von Andreas Hirn über Dan Simmons' Dracula-Roman KINDER DER NACHT, und er zieht sich auch nicht Wilko Müllers SaarCon 96-Bericht rein. Der normale Fan blättert das Zine vielmehr nach Bildern durch. Um "diejenigen LeserInnen besser zufriedenzustellen", will SOLAR-X in Zukunft Textbeiträge wie "die Bücher von morgen" weglassen und dafür mehr Bilder unterbringen. Spricht aus diesem Satz die leidvolle Erfahrung dessen, dem auf Cons sein zum Verkaufe angebotenes SOLAR-X x-mal zurückgegeben wurde?

Die 78. Ausgabe gibt sich aber noch genau so, wie wir FK-Rezensenten SX seit langen Jahren kennen und schätzen: vorwiegend sachkundige und kritische Rezensionen aus allen Sparten der Phantastik, dazu einige ausgewählte Stories.

Der Belgier Frank Roger überzeichnet in "Wenn Leben heilig ist..." das Vegetariertum. In seiner Kurzgeschichte ist nicht nur das Fleischessen illegal, es gibt auch keine Medikamente mehr, die ja unschuldige Viren töten würden, und sogar das Ernten von pflanzlicher Nahrung soll bald verboten werden. Frank verpackt dieses groteske Szenarium dramatisch recht geschickt in einen Ehekonflikt zwischen einem fleischhungrigen Mann und seiner Frau, einer militanten Anhängerin der Bewegung "Heiliges Leben". Man kennt ja diese Probleme schon heutzutage zum Beispiel aus der Familie des niedersächsischen Ministerpräsidenten. Aus ideologischen Gründen hat mir diese Story trotzdem nicht zugesagt: Auch ohne strikter Vegetarier zu sein, muß man schon ganz schön verbohrt sein, um die zahllosen Probleme zu ignorieren, die durch den Fleischkonsum in den Industrieländern entstehen.

Viel mehr zugesagt hat mir da Pascal Gregorys "Der schlechteste SF-Autor der Welt". Dabei handelt es sich um einen Außerirdischen, der von seinesgleichen in menschlicher Gestalt auf die Erde geschickt wurde. Um die Erdbewohner dazu zu bringen, die Existenz von Aliens gar nicht erst ernsthaft zu erwägen, wirft er massenweise miese SF auf den Markt. Dank seinen jämmerlich schlechten, aber erfolgreichen Büchern werden die zahlreichen ganz realen UFO-Sichtungen zu Hirngespinsten erklärt. Es wird zwar nicht ganz deutlich, warum die der Menschheit haushoch überlegenen Außerirdischen Angst davor haben, von den Erdlingen entdeckt zu werden, aber was stört ein unlogischer Plot, wenn die Story amüsant und gekonnt erzählt ist.

Die beste Geschichte stammt jedoch von der Amerikanerin Nancy Etchemendy: In "Essen bei Etienne's" entwirft sie ein alptraumhaftes Szenarium, in dem die Welt von einer Katastrophe heimgesucht wurde. Die Protagonistin versucht inmitten der Wirren, den Anschein der Normalität aufrechtzuerhalten. Nancy erzählt so lakonisch, daß das Grauen der nur angedeuteten Katastrophe um so schrecklicher wird.

Ein weiterer Beitrag aus den USA findet sich in dem Essay "Wie man Science Fiction schreibt" des Autors John B. Rosenman. Aber dieser Artikel scheint sich an amerikanische Studenten zu richten, die im Uni-Schreibkurs ihre erste SF-Story verfassen wollen, ohne große Ahnung von der Materie zu haben.

Und wo findet man kundige Experten für alle Arten der Phantastik, wenn nicht im Kreise der Leser und Produzenten von SOLAR-X?

Joachim Stahl

Leinfelden


VURGUZZ CLASSIC 11
26 Seiten DIN A 4, Kopie, Seitenheftung.
Auflage: 50 Exemplare, 4,42 DM.
Bezug: PHANTASTIK CLUB GUY NELSON, Ralf Zimmermann, Johannes-Prassel-Str. 51, 50765 Köln.
Bankverbindung: Postbank Köln (BLZ 370 100 50), Konto 485728-506.

Wir sind verwöhnt durch unsere Fanzineherausgeber, die keine Kosten scheuen, die Leserschaft durch brillanten Druck, mitunter auch durch Farbe und Glanzpapier, vermutlich bald sogar durch Goldschnitt zu beeindrucken; und jetzt kommt die elfte Ausgabe von VURGUZZ CLASSIC daher, auf ganz banalem Papier, sogar mit dem Klammeraffen geheftet - dreimal pieks! In einer Ära, in der sich alle Herausgeber zu übertreffen und nicht selten einen mageren Inhalt durch einen Wahnsinnsaufwand zu kaschieren trachten, finde ich diese Simplizität einfach köstlich, selbst wenn sich manche Rezensenten an solchen Äußerlichkeiten buchstäblich aufspießen, pieks.

Das Titelbild wird von einem Motiv Christel Schejas geziert (gibt es überhaupt ein Zine, bei dem sie noch nicht mitgewirkt hat?!) - und damit ist der grafische Anteil bereits erschöpft. Natürlich steht das Cover in keinerlei Zusammenhang mit dem Inhalt, so daß sich die Fantasy-Hasser nicht gleich verschreckt in ihre Laserhöhlen zurückziehen müssen.

Den Schwerpunkt machen drei Stories und ein Bericht über die legendäre Comic-Serie CAPTAIN FUTURE aus.

In "Der Schwanz der Schlange" erzählt M. Angerhuber von Mane-Likka und Agni-Lusk. Dummerweise nur ist der eine nicht so ganz das, was er zu sein vorgibt. Für meinen Geschmack werden zu viele Worte um wenig uralten Stoff gemacht. Wo ist eigentlich die Schlange?

Wesentlich routinierter und unterhaltsamer ist Christel Schejas "Verbotene Liebe" geschrieben. Inzwischen traut sich frau, auch Themen aufzugreifen, die mehr oder minder "schlüpfrig" sind, und diese in klaren Worten auszudrücken, statt sie verlegen zu umschreiben. Es gelingt ihr auch sehr gut, die Gefühle der Figuren zu schildern, ohne kitschig zu klingen. Da sich Christel jedoch, wie der Titel verspricht, auf die detailreiche Liebe ihrer Protagonisten beschränkt, statt sie als würzende Beigabe in einer ausgefeilten Handlung zu präsentieren, kann dies bei einigen Lesern den falschen Eindruck erwecken, daß die erotische Fantasy allmählich der erotischen Phantasie weicht.

"Die Kinder des Baumes" von Bernd Krosta sind die Frucht einer ungewöhnlichen Symbiose. Auch dies ist nicht neu.

Insgesamt schafft es keine der Geschichten zu überzeugen. Es fehlen frische Ideen, spritziges Erzählen, interessante Charaktere und Hintergründe.

Recht informativ ist der CAPTAIN FUTURE-Artikel von Stefan Eischet, der seine Quelle im Internet entdeckte. Schaut nur, was man da so alles finden kann (außer Viren mit Namen "Irina", "PKZIP300" etc. - bloß nicht laden, mate!). Es ist in erster Linie eine umfassende Bibliographie, die einige Anmerkungen zu den diversen TV-Folgen bzw. Büchern/Heften beinhaltet. Aufgelockert wird das Ganze durch einige Szenenfotos. Die Fans der Serie sollten ruhig hineinschnuppern.

Ergänzt wird das Fanzine durch einige Leserstimmen, einen Veranstaltungskalender und eine Postkarte (...).

Aus die Maus.

Mit Ausnahme des Artikels ist der VURGUZZ etwas dünn gemixt...

Irene Salzmann

Kranzberg


KOPFGEBURTEN 8: FEUERLAND
88 Seiten DIN A 4, Offset, Mittelheftung.
Auflage: 300 Exemplare, 8,00 DM, 3er-Abonnement 21,00 DM.
Bezug: Jürgen Thomann, Breslauer Str. 18, 79576 Weil am Rhein.
Bankverbindung: Sparda Bank Karlsruhe (BLZ 660 905 00), Konto 130 506.

Nein, kein neues ZIMMERIT klemmt da in meinem Briefkasten. Obwohl die Ähnlichkeit verblüfft: KOPFGEBURTEN 8 hat das selbe Format, eine ähnliche Optik und ist nur unwesentlich dünner. Beide Hefte sind Themenzines, beide rangieren ganz oben auf der Qualitätsskala der derzeit herausgegebenen Reihen.

Was KOPFGEBURTEN 8 dennoch unterscheidet? Es gibt wohl kein zweites Zine mit solch einem üppigen in das Thema einführenden Sekundärteil. Allein die Ausmaße des traditionell vom Herausgeber Jürgen Thomann verfaßten Einführungsbeitrags "Dystopie: Die Kehrseite der Utopie?" erschlagen: Zwölf Seiten Text plus vier Seiten Bibliographie mit einigen hundert (!) Einträgen. Da verwundert es nicht, wenn Jürgen dem Rahmen seiner Fragestellung sehr rasch entsteigt. Zunächst beschreibt er die Ursprünge und den Charakter der Utopien, dann ihren Wandel im Verlauf der Zeit. Die im Zuge der Aufklärung aufgekommene "Erkenntnis, daß jeder für sich sein Schicksal in die Hand nehmen kann" sieht er als Beginn des Endes der Utopie (als klassischen Staatsroman) an. Mit der industriellen und sozialen Revolution, der Beschleunigung des Lebensrhythmus und der Relativierung aller Werte habe dann die Utopie nicht mehr in die Zeit gepaßt und wurde folgerichtig von der Dystopie oder Anti-Utopie als ein "Kind des 20. Jahrhunderts" von ihr abgelöst. Zwar gibt es Merkmale für Dystopien, doch was diese von den Utopien abgesehen von literarischen Konventionen unterscheidet, das bleibt dennoch vage. Nicht zuletzt, wie Jürgen richtig bemerkt, weil die Utopie des einen zugleich auch die Dystopie des anderen sein kann. Vage muß auch die anschließende Abgrenzung zur Science Fiction bleiben. Warum sich Jürgen darin versucht, bleibt schleierhaft. Sie ist weder Teil des selbst gewählten Themas, noch in der gebotenen Kürze überhaupt zu behandeln. Spätestens hier ufert der Text aus, ja wird selbst sein Aufbau wirr. Denn nach der durchaus angebrachten Betrachtung der typischen Inhalte des dystopischen Romans knüpft Jürgen eine weitere Abgrenzung an, diesmal zum Katastrophenroman, der nun wieder eng verknüpft ist mit der SF. Warum er sich anschließend dem Katastrophenroman selbst zuwendet (und hier Arten und Kategorien zu unterscheiden versucht), erklärt sich aus dem Vorwort des Heftes: Weil die Geschichten, die Jürgen zum Heftthema Dystopie bekommen hat, oft Katastrophengeschichten sind nämlich. Und weil eine Einführung nun einmal den Gesamtinhalt berücksichtigen sollte. Daß Jürgen den Romanen J. G. Ballards dann noch ein Extrakapitel widmet (nicht aber anderen für die Entwicklung der Dystopie sicher bedeutenderen Autoren), verwundert zusätzlich. Wem es leicht fällt, eine so umfangreiche Einführung zu schreiben, der sollte Ballard dann auch einen eigenen Artikel widmen. In eine Einführung gehört das längst nicht mehr. Bei allem Respekt vor dieser Fleißarbeit: Das Ziel einer Einführung hat Jürgen am Ende weit hinter sich zurückgelassen. Ein paar hundert bibliographische Einträge (beim zweihundertsten und etwa der Hälfte der Liste habe ich aufgehört zu zählen) mögen zudem einer Magister-Arbeit oder Dissertation angemessen sein, den eine Übersicht suchenden Leser werden sie aber erschlagen.

Dem "Staatsroman" in der Weimarer Zeit widmet sich Klaus Geus in "Utopie oder Anti-Utopie". Während er zunächst noch das "fast völlige Fehlen deutscher Anti-Utopien" im Deutschland zwischen den beiden Weltkriegen bemerkt, kommt er bald darauf, daß die vermeintlich "utopischen" Wunschgesellschaften, wie sie in Romanen und Pamphleten der Zwanziger geschildert wurden, doch eher als Anti-Utopien zu bezeichnen seien. Denn was da zu Papier kam, waren in der Regel militärische Großmachtsphantasien, gepaart oft mit elitären, später mehr noch rassistischen und oftmals aggressiven Tönen. Klaus bespricht einzelne Werke und arbeitet dabei ihre typischen Inhalte, wichtiger aber noch die Zusammenhänge zwischen den utopischen bzw. anti-utopischen Texten und dem gesellschaftlichen Kontext detailliert heraus. Hier liegt die Bedeutung dieses Artikels, der die Relativität von "Utopie" eindrucksvoll vorführt. Zugleich liegt hier auch seine Schwäche, denn der Autor unterläßt es, sich genauer mit den beiden von ihm benutzten Kategorien selbst zu beschäftigen. Es wird ja eine Utopie nicht dadurch zur Anti-Utopie, daß wir Späteren (und daher vermeintlich Schlaueren) die Wunschphantasien früherer Zeiten heute mit Leichtigkeit entlarven.

"Katastrophismus als Prinzip: Über deutsche Weltuntergänge" lautet der Artikel von Reinhard Merker. Es ist schon merkwürdig, daß sich auch dieser zweite Text mit dem spezifisch Deutschen beschäftigt. Oder es doch zumindest im Titel vorgibt. Er beginnt mit einer Gleichsetzung von SF mit einer "Kette angstvoller wie hoffnungsvoller apokalyptischer Phantasien und Prophezeiungen", mit "Besessenheit (...) von Katastrophen" und "Angstlust". Sehr schnell kommt der Autor dann auf deutsche Katastrophenliteratur vor dem Zweiten Weltkrieg zu sprechen, wo er ziemlich dieselben Charakteristika herausarbeitet wie Klaus Geus. Ausführlich beschreibt er dabei die den Katastrophenromanen zugrunde liegende Verbindung von Katastrophismus und Erneuerung, von "mit Dezimierungsfreude verbundene Elitentheorie", von kosmischem Geschehen und Menschheitsentwicklung. Was daran nun deutsch ist, wie es im Titel heißt, bleibt offen. Elemente wie die beschriebenen lassen sich bei Autoren jeglicher Nationalität finden, und in der Tat zitiert Reinhard auch viele. Sein Vorgehen ist dennoch nicht ohne Sinn: Indem er nämlich sich auf deutsche Werke vor dem Zweiten Weltkrieg konzentriert und sich selbst so die Sicht verbaut, bleibt ihm gar nichts anderes mehr übrig, als zu einer Schlußfolgerung der Art zu kommen: daß nämlich Katastrophenromane (und die eingangs mit ihnen gleichgesetzte SF) letztlich sich als "Exterminationsgelüst und Platzbereitung für Overlords in braunen und schwarzen Uniformen erweisen". Solcherlei verkürztes Denken indes, das kommt wirklich deutsch.

Die Geschichten in KOPFGEBURTEN 8 sind in der Regel überdurchschnittlich. Inhaltlich ragt "Der Himmel voller Geigen" von Johannes Unnewehr und Joachim Stahl hervor: Die Autoren beschreiben eine Welt, in der das aus Kaufhäusern und billigen China-Restaurants bekannte Hintergrundgedudel Alltagspflicht geworden ist. Egal ob Zuhause, in der Stadt oder in der freien Natur, überall sorgen dezente Geigenklänge für Ruhe und Glückseligkeit. Zumindest in der Theorie. Der Held dagegen, der statt akustischem Einheitsbrei lieber richtige Musik schreiben würde, steht, da er seine eigenen Ideen nicht verkaufen kann, am Ende vor der Wahl zwischen seinen Idealen und den Erfordernissen des Alltags. Der Geschichte hätte allerdings ein wenig Humor gut getan, und linke Plattheiten wie die "Knobelbecher, die deutschesten aller Schuhe" hätte man einer als bodenständige Gegenfigur zum idealistischen Helden konzipierten Figur auch nicht in den Mund legen brauchen.

Die andere Dystopie, "Alptraum hoch zwei" von Stefan T.Pinternagel orientiert sich (vornehm ausgedrückt) eng an den Ideen Orwells vom totalitären Unterdrückungsstaat, bietet inhaltlich also nichts Neues. Auch daß die Flucht des Helden in die Freiheit der Natur sich schon in BRAZIL als Wahnvorstellung herausgestellt hat, wäre zu verschmerzen, wenn es darüber hinaus noch eine irgendwie ansprechende und somit tragfähige Handlung gegeben hätte.

Die übrigen Stories behandeln Katastrophen. Einige sind skurril, wie die Lachkrankheit, die Achim Stößer in "Narrenfrei" ersonnen hat. Oder der Sand, der in Jürgen Thomanns redseliger und erst zum Schluß das Tempo steigernden Geschichte "Am Ende einer verlorenen Zeit" die Hochhäuser verschlungen hat.

Andere dagegen konventionell, ja nicht einmal originell, wie "Flieg, Phönix, flieg!" von Eddie Angerhuber. Hier wird der Leser Zeuge eines letztlich sinnlosen Überlebenskampfes nach einem umfassenden Krieg. Glaubhafte Charaktere, die plastische Darstellung und eine funktionierende Handlung machen die Geschichte aber dennoch lesenswert.

Tuberkel Knuppertz beschreibt in "Wenn die Erde bebt" die Gedanken eines unter Hausmassen Verschütteten in Monologform. Diese Perspektive ist schwierig. Überzeugend gelingt sie ihm immer dann nicht, wenn er - der Verständlichkeit wegen - den Geschundenen scheinbar unbeteiligt seine Situation beschreiben läßt. Sie tut es noch weniger, wenn er uns die Visionen des Opfers als Sprachexperimente serviert: "ych sehä tanzende rote-kroiz-kovfer vor meynen auquen und sehne mich nach rettunq".

Pascal Gregory beschäftigt sich schließlich mit dem, was Reinhard Merker als Katastrophismus bezeichnet hat: der Lust an der Katastrophe. In "Armageddon direkt" nimmt ein überlegenes Sternenvolk an den Katastrophen anderer Völker teil. Holt sie sich per weiterentwickelten Kamera ins Haus und macht sie direkt nach- und mitempfindbar. Die Parallele zur Katastrophenverliebtheit gewisser Medien liegt dabei auf der Hand.

Pascal verfällt nicht in den Fehler einer einseitigen Medienschelte, sondern beschäftigt sich auch mit der Rolle des Konsumenten. Warum der aber "Groghoak" heißen muß und weshalb die ganze Geschichte auf einer fremden Welt spielt, bleibt um so unverständlicher, als Pascal sich nicht die Mühe macht, eine glaubwürdige Kultur zu ersinnen. (Womit er sich allerdings, das sei gesagt, in der Gesellschaft auch bekannter SF-Autoren befindet.) In der Geschichte macht schließlich eine genervte Supermacht, nachdem sie ihre moralische Standpauke gehalten hat, dem Spuk ein Ende - und nebenbei auch der Welt der Sternenvoyeure. Dieser Schluß schwächt die Story zusätzlich.

In einem Vergleich mit ZIMMERIT ist KOPFGEBURTEN 8 aufgrund seiner Artikel das "akademischere" Zine. Diese sind so gewiß nicht jedermanns Sache. Insbesondere sollte Jürgen Thomann sich überlegen, ob eine Einführung wie in der vorliegenden Ausgabe wirklich sein muß. Genauer: Für wen er überhaupt schreibt. KOPFGEBURTEN 8 zählt auf jeden Fall zum besten, was es derzeit in der Szene gibt. Ob das Beispiel nachahmenswert ist, bleibt aber fraglich, denn wie ein Vergleich mit ZIMMERIT auch zeigt: je höher die Qualität, desto ähnlicher und austauschbarer werden sich die Projekte auch.

Thomas Schmitz

Bochum


PLEIN TARIF 1, 2
40, 40 Seiten DIN A 5, Kopie (verkl.), Mittelheftung.
Auflage: 45, 15 Exemplare, jeweils 5,00 DM.
Bezug: Phil Rau, 13, rue Baldung-Grien, F-67000 Strasbourg.

Hier steht er nun, der Rezensent. Zwei Hefte in der Hand und wagt sich kaum, sie dem dürstenden Publikum vorzustellen. Das liegt nicht daran, daß die beiden Ausgabe so schlecht wären. Und Verfallsdaten - die Hefte sind von Februar 95 bzw. Januar 96 - spielen im Fandom zum Glück nur eine geringe Rolle. Es liegt eher am ungewöhnlichen Inhalt beider Hefte.

PLEIN TARIF ist ein kleines, mit viel Mühe und Liebe gemachtes Fanzine. Es ist ein Magazin "deutscher Zunge" mit vielen Untertiteln. Zur Auswahl stehen nach zwei Ausgaben bereits: "Magazin allen Ernstes" und "Magazin mit anderen Worten". Allein das drückt schon aus, wodurch sich beide Ausgaben auszeichnen. Auf sehr spielerische Art wird hier ein Fanzine gemacht. Und es wird auch sehr spielerisch mit Sprache umgegangen. Manchmal etwas zu verspielt. Dann verkommen die Wortspielereien zur Masche. Zu oft wiederholt wirken sie eher langweilig und anstrengend.

Genauso kranken etliche Beiträge leider daran, daß dem Autor nicht klar war, was er mit seiner Geschichte eigentlich ausdrücken will - der Leser weiß es dann noch viel weniger. Man bekommt den Eindruck, einige Beiträge wurden aus lauter Lust am Schreiben geschrieben. So gibt es einige Geschichten, die nur von der Schwierigkeit handeln, eine Geschichte zu schreiben. Diese Schwierigkeiten kennt jeder. Der leere Computerbildschirm vor einem scheint alle genialen Gedanken, die eben noch da waren, geradezu auf die andere Seite der Galaxis zu verbannen. Aber diese Tragödie hat nicht derartige Qualitäten und eine Originalität, daß sie es verdient, gleich mehrfach verbraten zu werden.

Aber es gibt auch genügend andere Beiträge. Der Herausgeber startet gleich mit einer Seminararbeit über Kafkas VERWANDLUNG. Er bietet eine kurze Interpretation und stellt Bezüge zu Kafkas Leben her. Der Beitrag fällt etwas aus der Reihe, da er der einzige sekundärliterarische Artikel in beiden Ausgaben ist. Aber es ist nichts daran auszusetzen, eine Seminararbeit der Gleichgültigkeit der Professoren und Mitstudierenden zu entreißen und durch eine Veröffentlichung in einem Fanzine ein klein wenig Entschädigung für die Arbeit und Mühe zu erhalten.

"Ein Sommerabend in Saint-Nazaire" von Patrik Djoué schildert die Beobachtungen und Gedanken eines Attentäters. Die "Bombe" ist schon gelegt, der Attentäter muß nur noch abwarten bis sein Opfer mit seinem Auto davonfährt. Eine kleine stimmungsvolle Geschichte, die vor allem davon lebt, daß sie dem Leser erst nach und nach in Bruchstücken die wesentlichen Details verrät.

Eine vollkommen ungewöhnliche kleine Groteske sind die "Wundersamen Abenteuer des kleinen Pils im Letterland", angeblich geschrieben von einem Dr. E. Markutczyk (diese und andere Namen legen nahe, daß ein größerer Teil der Beiträge vom Herausgeber stammt, zumal Phil Rau bereits im zweiten Band das Ableben des seligen Doktors mitteilen muß). Der kleine Pils zieht - in einer Kühltasche verstaut - mit den Wildhänsen nach Hönisgberg und erlebt dabei etliche Abenteuer die fast zum vollständigen Verschütten geführt hätten. Ist dazu noch ein weiteres Wort notwendig? Aufgrund des plötzlichen Ablebens des Autoren kommen wir jedoch um den Genuß weiterer Teile dieser Geschichte. Aber man soll aufhören, wenn's am schönsten ist.

In der zweiten Ausgabe macht sich "yoi" Gedanken über den Inhalt einer "Schoortßtorrie". Dieser Beitrag ist jedoch ein sehr gelungener Versuch, den oben erwähnten leeren Computerbildschirm zu bezwingen, zumal irgendwann alle angedachten Plots sich zu einem chaotischen Wirrwarr zusammenfinden und alles in einer surealistischen Kakophonie endet. Der Leser ist nicht einmal enttäuscht, daß er keine "richtige" Geschichte serviert bekommen hat.

Die zweite Ausgabe enthält im Unterschied zum ersten Band auch mehrere Beiträge, die sich direkt oder indirekt dem Phantastischen zuordnen lassen. M. Angerhuber schreibt mit "Hybride Hochzeit" eine Hommage an Cordwainer Smith, "Morgenrot" von Arnold Reisner ist eine konventionelle Vampirgeschichte und in "La grande illusion" geht es um Realitätsverlust im Computerzeitalter.

Die Themen beider Hefte sind bunt gemischt. Neben den hier erwähnten finden sich noch eine Reihe anderer Beiträge. Auch mehrere Seiten mit Lyrik sind enthalten. Die Gedichte haben eine unterschiedliche Qualität und inhaltliche Aussagekraft.

Das Layout beider Hefte ist gewollt chaotisch, aber überlegt, passend zu den unterschiedlichen Beiträgen.

PLEIN TARIF ist sicherlich kein herkömmliches Fanzine, die Bindung zur Phantastik spielt eine nur untergeordnete Rolle. Die Lust am Fabulieren eine umso größere, ebenso die Auseinandersetzung mit dem eigenen Lebensumfeld. Leider bleibt zum Schluß der Eindruck, daß einige der Autoren versuchen, sich einen bewußt literarischen Anstrich zu geben. So bleiben viele Wortspielereien um ihrer Selbst willen nur Stilblüten ohne inhaltliche Qualität. Manchmal ganz amüsant, auf Dauer aber langweilig.

Holger Marks

Marburg


DIE GRAUE ALLIANZ 1: DIE SCHATTEN DER VERGANGENHEIT
88 Seiten DIN A 5, Kopie (verkl.)., Mittelheftung.
Auflage: 100 Exemplare, 5,00 DM.
Bezug: TERRANISCHER CLUB EDEN, Kim Stark, Rieslingweg 32, 55545 Bad Kreuznach.

DIE GRAUE ALLIANZ ist eine PERRY RHODAN-Fanromanserie; Band 1 bietet dem Leser 88 engbedruckte Seiten und damit etwa den zweifachen Umfang eines PR-Heftromans.

Vor dem Hintergrund des nahenden, aber nicht für alle erkennbaren Niedergangs "Des Systems" baut Wendelin Abt eine actionreiche Handlung mit wirtschaftlichen und politischen Bezügen auf; in Erwartung wiedererwachenden Raumschiffsverkehrs setzt ein heimliches Wettrennen über den Aufkauf lukrativer Unternehmen ein, Informationen - auch via Internet - werden teuer gehandelt, und unter den Agenten tobt noch immer ein heißer Krieg. Erzählt wird zwar nicht ganz aus der "Sicht des kleinen Mannes", jedoch bleibt der Blickwinkel weitgehend unterhalb der Führungsriege der Unsterblichen. Der Autor bezieht so Spannungsmomente aus der Handlung der Hauptserie, ohne diese nachzuerzählen.

Gleichzeitig taucht er ein in die Weite des PR-Universums mit zum Teil plastischen Schilderungen der gesellschaftlichen Verhältnisse auf Arkon und Lepso sowie mit einer Vielzahl unterschiedlichster Fremdwesen bekannter Völker.

DIE GRAUE ALLIANZ kommt der Originalserie inhaltlich sehr nahe. Qualitativ hinterläßt der erste Roman allerdings einen gemischten Eindruck. Während die Erzählweise so ansprechend und das Geschehen so bunt ist, daß man sich teilweise in actionreiche PR-Abenteuer hineinversetzt fühlt, stoßen oft sehr schablonenhafte Charakterisierungen und vor allem Wiederholungen (salziges Augensekret ist Zeichen der Erregung, rote Arkonidenaugen, endlose Park- und Gartenlandschaften etc.) immer wieder unangenehm auf. Auch der emotionale Wechsel von einer Liebes- zu einer Ehrfurchtszene ist nicht ganz geglückt; man hört's "nachklingeln".

Der hohe Ehrgeiz, eine dem Original vergleichbare Fanromanserie zu schaffen, hat im ersten Band einen Fast-PR-Roman ermöglicht, der im wesentlichen unter einem Mangel leidet: Weniger wäre mehr gewesen!

Mit weniger Text, dafür weniger Wiederholungen und mehr Konzentration auf eine Tiefe von Charakteren und Konversation könnte DIE GRAUE ALLIANZ die PR-Serie sinnvoll ergänzen und den PR-Kosmos bereichern. Das Debüt zeigt vielversprechende Ansätze, aber noch wurde dort zuviel zu schnell geschrieben.

Clemens Nissen s. ps.

Wangerland


NIGHTLIFE 5
84 Seiten DIN A 5, Kopie (verkl.), Mittelheftung.
Auflage: unbekannt, 6,00 DM, 3er-Abonnement 20,00 DM.
Bezug: Franco Basta, c/o Wiest, In der Taus 18, 71552 Backnang.

Gar gräßliche Zines gebiert das Horror-Fandom. Wer jemals eins der Heftchen hat lesen müssen, in denen das Phantasievollste an den Splatter-Stories die Interpretation der deutschen Rechtschreibung ist, der wird verstehen, daß der leidgeplagte FK-Rezensent ein Stoßgebet gen Himmel schickte, als er die neueste Postsendung aus Wallenhorst öffnete: Vom Cover glotzten ihn drei Punk-Zombies an, einer davon trug in der Rechten einen Dolch, und machten ein Gesicht, als wollten sie ihm an die Gurgel. Schudder!

Groß war das Aufatmen, als die mit Bangen begonnene Lektüre beendet war. Denn Pascal Niemeier und Franco Basta, die Herausgeber von NIGHTLIFE, haben sich dem reißerischen Cover zum Trotz den gemäßigteren und subtileren Spielarten der Schauerliteratur verschrieben. Neben zahlreichen kritisch-kundigen Rezensionen findet sich ein längerer Artikel von Pascal über Stephen Kings THE GREEN MILE, und auch der King-Übersetzer Joachim Körber beschäftigt sich mit dem erfolgreichsten Gruselautor der Neuzeit, indem er Werke vergleicht, die King unter seinem eigenen Namen und als Richard Bachman veröffentlicht hat.

Drei Stories runden das Lesevergnügen ab: Jens Schumachers "Stille Wasser" schildert eine spannende Tiefsee-Expedition, die ein gräßliches Ende nimmt, als man auf ein Tiefseemonster stößt. Auch in Michael Marraks "Advena" begegnet der Protagonist einem Ungeheuer, das jedoch hinter einer geheimnisvollen Tür im Haus seines Bruders lauert. Nachdem ihn das Monster berührt hat, beginnt eine schleichende Verwandlung, die Michael äußerst dramatisch in Tagebuchform schildert. Und auch in der dritten Geschichte lauert ein seltsamer Fremdling in den eigenen vier Wänden: In Kai Meyers "Der Speichermann" handelt es sich dabei um einen alten Mann, der wie der Weihnachtsmann aussieht und auf dem Dachboden wartet, bis ihn ein Kind besucht. Alle drei Geschichten, vor allem aber die von Kai, der ja inzwischen den Sprung vom Horror-Fan ins Profilager geschafft hat, sind gekonnt erzählt und ziehen den Leser in ihren Bann. Die beiden letztgenannten Autoren sorgen auch für die herausragenden Grafiken in diesem rundum gelungenen Zine.

Sehr interessante Interviews mit Michael und Kai sind ihren Geschichten vorangestellt. Beide erzählen von ihren Einflüssen, geben Einblick in ihre Arbeitsweise und ihre Problemen mit Kategorisierungen und unwissenden Kritikern. Witzigerweise habe ich von Michael durch NIGHTLIFE mehr erfahren als in einem Jahr gemeinsamer (allerdings auch sehr unregelmäßiger) Besuche des Stuttgarter SF-Stammtischs zuvor.

Mit NIGHTLIFE scheint das legendäre NACHTSCHATTEN aus dem Berlin der Achtziger Jahre endlich einen würdigen Nachfolger gefunden zu haben. Ich hoffe, Franco und "PaSkull" werden mindestens so lange durchhalten wie damals Scheibi und Nob.

Joachim Stahl

Leinfelden


SOLAR-X 80
44 Seiten DIN A 5, Kopie (verkl.), Mittelheftung.
Auflage: 95 Exemplare, 3,50 DM, 12er-Abonnement 40,00 DM.
Bezug: ANDROMEDA SF-CLUB HALLE, Wilko Müller jr., Volhardstr. 20, 06112 Halle/S.
Bankverbindung: Bank 24 (BLZ 380 707 24), Konto 111445300.

Die übliche Frage, die mir vor einer Besprechung einer SOLAR-X-Ausgabe immer durch den Kopf schießt, ist: Werde ich an dieser Nummer etwas zu bemäkeln finden, das mir von den Herausgebern wieder als inkompetente Kritikasterei vorgehalten werden wird? Jede Fanzinerezension ist natürlich ein Balanceakt, und das gilt um so mehr, je mißtrauischer die Besprochenen dem Besprechenden gegenüber eingestellt sind.

Angesichts der vorliegenden Ausgabe 80 des Halleneser SF-Fanzines, das mit der bekannten Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit erschienen ist, wird mir das jedoch zum Glück weitestgehend erspart bleiben, denn das Heft ist in jeder Hinsicht durchaus überzeugend.

Es präsentiert die derweil wohlbekannte Mischung aus Primär- und Sekundärmaterial, vielleicht manchmal etwas konzeptionslos durcheinandergewürfelt und im bisweilen etwas anstrengenden Sparlayout, aber zumeist wohldurchdacht ausgesucht und sehr lesbar.

Die Primärbeitrage dieser Ausgabe konzentrieren sich diesmal auf den Horrorbereich. Kernstück ist eine recht lange Kurzgeschichte von Thomas Wagner mit dem Titel "Die Farben der Tiefe", in der es um einige Gemälde und deren Hintergrund geht. Thomas Wagners Stil ist sicher und spannend, wenngleich seine Kapitelabsätze hin und wieder etwas knapp sind. Obgleich sich der Horror doch etwas an der Oberfläche hält, gelingt es dem Autor, eine dichte erzählerische Atmosphäre zu schaffen, die aus der Geschichte ein sehr lesenswertes Werk macht.

Der Rezensionsteil, wie immer ausführlich und umfangreich, beginnt mit der Würdigung eines Romans von Niven/Pournelle/Flynn (FALLEN ANGELS) über eine ökologische Diktatur in den USA, in der einige wackere, freiheitsliebende SF-Fans gegen das Übel kämpfen. Am Ende der Rezi meint der Rezensent, er sei stolz, zu denen zu gehören, die von Niven und Co. hier so gewürdigt werden. Schade nur, daß er sich über den politischen Hintergrund des Autorengespannes nicht informiert hat, denn daß gerade überzeugte Umweltschützer zu den hassenswerten Protagonisten in dem Roman gehören, kommt nicht von ungefähr und entspricht vor allem den sozialdarwinistischen Gesellschaftsvorstellungen Pournelles, der damit schon öfters hervorgetreten ist. Die frohlockende Würdigung dieses Romans durch den Rezensenten könnte daher zu der Annahme verleiten - und man möge den Konjunktiv beachten -, daß der Rezensent solchen Vorstellungen durchaus positives abgewinnen kann. Ich vermute aber eher, daß dies auf seine Uninformiertheit zurückzuführen ist.

Alles in allem ist SOLAR-X 80 jedoch eine runde und lesenswerte Sache. Die gelungene Mischung aus Primär- und Sekundärmaterial und die konsistent hohe Qualität der meisten Beiträge haben aus diesem Zine eine Institution des deutschen Fandoms gemacht. Auch für 97, so kündigt man an, wolle man an der bewährten Vorgehensweise festhalten - und nichts anderes wollen wir erwarten!

Dirk van den Boom

Münster


LEGENDENSÄNGER-EDITION 55: SCHWERTMACHT
80 Seiten DIN A 5, Kopie (verkl.), Mittelheftung.
Auflage: 30 Exemplare, 6,00 DM.
Bezug: Christel Scheja, Josefstr. 29, 33106 Paderborn-Elsen.

Der Umfang, den Christel Schejas Fanzines mittlerweile erreichen, erschlägt den Leser buchstäblich. Nur wenige Hefte sind auch nur annähernd so dick und beinhalten obendrein ausschließlich Stories und Grafiken (bekanntlich wird gern mit Blabla aufgefüllt).

Seit der PC in ihrem Haushalt Einzug hielt, hat sich auch das viel kritisierte Layout verbessert. Vorbei sind die Zeiten der häufigen Tippfehler und handschriftlichen Verbesserungen, der nicht selten unübersichtlichen und blassen Texte und den monstermäßigen Seitenrahmen. Alles wirkt nun sehr viel gediegener, sauberer, lesenswerter. Zwar tragen manche Texte immer noch verschiedene Gewänder, aber der strenge Kontrast zwischen PC- und Schreibmaschinen-Usern ist Historie, und bei einer Auflage von 30 Exemplaren dürfe es auch einsichtig sein, daß nicht jeder Text abgeschrieben oder neu layoutet wird.

Der reichliche Text wird durch zahlreiche Grafiken, zum Teil storybezogenen Illustrationen, aber auch einer "Helden-Galerie" aufgelockert. Wenn ich ein Fanzine erhalte, dann schaue ich mir immer erst die Grafiken an - ich liebe es, Bilder anzusehen, und hier kommt man nicht zu kurz, wenngleich die Zeichnungen nicht an die Qualität vieler Grafiken anderer LE-Hefte heranreichen. Außer von Christel finden wir Bilder von Janina Enders und Beatrix Berndt. Stilistisch ähneln sie einander, wodurch die Illustrationen recht einheitlich wirken.

Sämtliche Texte dieser LE-Ausgabe stammen von Christel Scheja und Charlotte Engmann, die seit kurzer Zeit fruchtbar zusammenarbeiten und gemeinsam die Welt "Talastan" mit ihren Heroen bevölkern.

In "Gefangen im Glauben" erzählt Charlotte von Tagor, der gastliche Aufnahme bei einer religiösen Sekte findet. Zu seinem Entsetzen werden die freundlichen Frauen von den rechtsgläubigen Ylcar-Priesten gemeuchelt. Tagor kann nicht begreifen, daß die Mädchen wirklich Anhängerinnen des Bösen waren, aber die orthodoxe Kirche läßt keine Nuancen zu. Eine Metapher für das wirkliche Leben, überzeugend, spannend geschildert und ein Prolog für weitere Abenteuer Tagors.

"Versprochen ist versprochen" heißt eine Story von Christel. Verwundete Soldaten werden ausgerechnet von ihren Gegnern aufgenommen und gepflegt. Plötzlich tauchen Räuber auf und bedrohen alle. Die Soldaten fühlen sich ihren Helfern verpflichtet, und ein Umdenken beginnt. Action, Romantik, Tiefe - alles ist dabei.

In "Doppelspiele" wendet sich Christel einer ihrer ältesten Figuren zu. Der Hochländer Trelan hat ein Techtelmechtel mit einer Baronin und spielt ein bißchen Krieg. Nebenbei werden verschiedene bekannte Namen erwähnt; der beliebte Aha-Effekt.

Den Schwerpunkt macht das dreiteilige Crossover "Die Fackel" aus, deren beiden ersten Teile "Der Funke" von Christel und "Die Glut" von Charlotte vorliegen. Den Comic-Lesern ist der Begriff "Crossover" längst vertraut, denn wer kennt sie nicht, die gemeinsamen Abenteuern von Figuren eigenständiger Serien wie zum Beispiel die Team-ups von BATMAN und SUPERMAN bei DC, von SPIDERMAN und den X-MEN bei Marvel oder YOUNGBLOOD und SPAWN bei Image etc. Nicht viel anders läuft es ja auch in der SF- und Fantasy-Szene: Conans Abenteuer haben nach Howards Tod etliche Autoren fortgesetzt, in Asprins DIEBESWELT fanden viele Schreiber ein Zuhause, ebenso bei STAR WARS, STAR TREK u. a. Diese Interaktion zweier oder mehrerer Autoren und ihrer Figuren, das Teilen einer Welt erfreut sich einer langen Geschichte und immer größerer Beliebtheit; läßt es doch weit mehr Möglichkeiten zu, als wenn man sich immer nur auf dünne Short-Stories beschränkt, deren Figuren und Hintergründe nicht näher ausgebaut werden und die anschließend spurlos in der Versenkung verschwinden. So beleuchten Christel und Charlotte die Ereignisse von verschiedenen Seiten, bringen zahlreiche Figuren, die man aus anderen Erzählungen kennt, ins Spiel, jonglieren mit Querverweisen, was eine dichte und authentische Atmosphäre schafft. Obendrein ist alles gut verpackt in Action.

Insgesamt ist SCHWERTMACHT eines der besten Fanzines aus Christels Werkstatt mit guten Stories, wie sie den Fantasy-Lesern zweifellos gefallen.

Irene Salzmann

Kranzberg


TERRAsse-SONDERHEFT
28 Seiten DIN A 5, Kleinoffset, Mittelheftung.
Auflage: unbekannt, 2,00 DM.
Bezug: Michael Stöhr, Förstereistr. 38, 01099 Dresden.

Den TERRAsse-Fanzines ist eine bemerkenswerte Kontinuität bei der Umschlaggestaltung eigen. Auch dieses Sonderheft zum PentaCon, der im Oktober in Dresden stattfand, folgt dieser Tradition. Es lag nahe, einen Teil des Zines der Programmübersicht zum Con zu widmen - nicht diese Seiten machen den bleibenden Wert des Heftes aus, sondern die drei Stories. Zwei davon stammen von Ehrengästen des PentaCons: Ronald M. Hahn und Frank Petermann.

Den Auftakt macht Ronald M. Hahn in Koautorenschaft mit Andreas Decker. "Als Arthur Lanthrop den Arsch vollkriegte" ist eine Parodie auf gängige Horror- und Fantasy-Klischees. Kurzweilig zu lesen, aber zum Schluß hin drängt sich der Gedanke auf, die römisch-katholische Kirche hätte die Story in Auftrag gegeben.

Frank Petermann überraschte in Dresden mit der Lesung einer ungewöhnlichen Fantasy-Märchengeschichte, "Im alten Gärtnerhaus". Auch sein Beitrag zu TERRAsse, "Spaziergang mit Hund", paßt sich nicht in eingefahrene Gleise ein. Eine psychologisch-hintersinnige Story, die der Idee der Parallelwelten eine neue Sicht abgewinnt und erst im nachhinein richtig im Leser reift.

Kleine grüne, aber unsichtbare (!) Männchen verüben "Schreibtischmorde", so jedenfalls der Titel von Beate Balzers Story. Über Sinn und Unsinn dieses kurzen Stückes Prosa läßt sich wohl streiten, der Rezensent nimmt es als Satire mit einem Schuß wohldosierter Bosheit.

SF-Lyrik von Erik Simon rundet diese TERRAsse-Ausgabe ab, die sowohl als Begleitheft zum PentaCon als auch als normales Fanzine einen guten Platz im Mittelfeld einnimmt.

Siegfried Breuer

Berlin


SOLAR-X 81
44 Seiten DIN A 5, Kopie (verkl.), Mittelheftung.
Auflage: 100 Exemplare, 3,50 DM, 12er-Abonnement 40,00 DM.
Bezug: ANDROMEDA SF-CLUB HALLE, Wilko Müller jr., Volhardstr. 20, 06112 Halle/S.
Bankverbindung: Bank 24 (BLZ 380 707 24), Konto 111445300.

Wilko Müller jr. ist einer der wenigen bundesdeutschen Fandomler, die SF-Romane im US-amerikanischen Original lesen und außerdem besprechen - natürlich in SOLAR-X. In der vorliegenden Ausgabe rezensiert er drei Bücher, von denen bislang nur ein einziges in einer deutschen Übersetzung erschienen ist. Ich will mich keineswegs gegen Blicke über den bundesdeutschen Tellerrand wenden, bin aber der grundsätzlichen Auffassung, daß es wenig Sinn macht, Romane zu besprechen, die dem Leser - egal, aus welchen Gründen - nicht zugänglich sind. Ich muß freilich zugeben, daß ich mich in manchen meiner Artikel selbst darüber hinweggesetzt habe; unbestritten soll auch bleiben, daß die Rezension von Originalausgaben eine Bereicherung von SOLAR-X ist, aber zwiespältig bleibt.

Der überwiegende Teil der Buchrezensionen befaßt sich auch in SOLAR-X 81 mit deutschen Ausgaben. Während Wilko Müller jr. und Thomas Hofmann die gewohnte Qualitätsarbeit liefern, auch Heiko Fuchs mit seinen Beiträgen gewisse Ansprüche noch befriedigen kann (beispielsweise den, daß die Inhaltsangabe nicht länger als die Bewertung sein sollte), überwiegt bei der einzigen Rezension von Jens Pauling die Inhaltsangabe zu deutlich und als überflüssig mutet gar Angelika Herzogs Bücherecke an, in der sie auf weniger als zwei Seiten "nette" Worte über eine Handvoll Romane verliert.

Fiona Anderson berichtet über den HanseCon des letzten Jahres. Es ist ein fannischer Bericht über einen fannischen Con, der nicht auf die wenigen Programmpunkt abstellt, sondern vielmehr darauf, was die Berichterstatterin mit wem unternommen hat, für die Nichtteilnehmer des HanseCons, die vermutlich den größten Teil der SX-Leser stellen, also ein wenig reizvoller Beitrag. Interessanter ist dagegen der Artikel von Marketa Lanova über "Science Fiction in Tschechien", der auch die Fanszene nicht ausspart, aber leider im Telegrammstil verfaßt ist - also deutlich kürzer als Fionas mehrseitiges HanseCon-Protokoll.

Marketa Lanova zählt auch zu den Storyautoren dieser SX-Ausgabe. "Urlaub" ist eine weitere fannische Katastrophenstory, in der sich die Menschheit zwar nicht selbst vernichtet, was aber auch nicht innovativ ist. Immerhin dient die Erde auch nach der Auslöschung noch sinnvollen Zwecken... "Spiegelglänzende Bilder" von Andreas Hirn ist die Story eines Erstkontaktes, der nicht einfach zu folgen ist; offenbar wird der Protagonist diversen Experimenten unterzogen, die für ihn ausgesprochen negative Folgen haben. Der Autor von "Der Keim der Ewigen" versteckt sich hinter dem Pseudonym Dash Rendar, da er "sich nicht mehr so recht mit seiner Story identifizieren kann" (Vorwort). Nun, unausgegoren ist die Story ja: Sie spielt abwechselnd in der Gegenwart und in der fernen Vergangenheit und schildert den Kampf jahrtausende alter Unsterblicher um Macht und um ihre weitere Existenz, gewinnt dem aber keine neuen Aspekte ab. Es ist nicht die erste Fantasy-Story in SOLAR-X, die zumindest teilweise in der Gegenwart angesiedelt ist, was Rückschlüsse auf die Identität des Autors zuläßt.

Einzig Frank Roger weiß mit seiner Story "Der Hobbyist" voll und ganz zu überzeugen (auch wenn sie nicht an seine geniale Kurzgeschichte "Der Katalog der zerbrochenen Träume" aus SX 71 heranreicht). Er bietet erneut eine originell-groteske Idee in einer angemessenen Ausführung: Es sind Tagebuchauszüge, die die Erfahrungen eines erfahrenen Hobbyisten mit diversen Do-It-Yourself-Kits wiedergeben, mit denen mehr als simple Bastelarbeiten machbar ist.

Positiv zu vermerken sich außerdem noch die dekorativen Zeichnungen Gregor Beckmanns, die als Cover und Backcover verwendet wurden. Ansonsten bleibt SOLAR-X 81 teilweise unbefriedigend.

Armin Möhle

Wallenhorst


DIFFERENT FREQUENCIES 0
32 Seiten DIN A 5, Kopie (verkl.), Mittelheftung.
Auflage: 130 Exemplare, Beilage zu SOLAR-X 78, separat 3,50 DM.
Bezug: ANDROMEDA SF-CLUB HALLE, Wilko Müller jr., Volhardstr. 20, 06112 Halle/S.
Bankverbindung: Bank 24 (BLZ 380 707 24), Konto 111445300.

Bisher erreichen uns die Produkte des Halleschen ANDROMEDA SF-Clubs ja nur einmal monatlich. Das könnte ab diesem Jahr anders werden; denn der 78. SOLAR-X Ausgabe liegt schon mal die Nullnummer von DIFFERENT FREQUENCIES bei. Die Macher Thomas Hofmann und Renald Mienert, auch ansonsten in ASFC ja sehr rührig, haben damit ein Forum für die Musikrezensionen geschaffen, die zukünftig aus dem regulären SX ausgelagert werden sollen.

Im Vorwort erläutert Thomas, daß in DF nicht nur SF-Tonträger besprochen werden sollen, sondern die Musik, die "das Erlebnis 'phantastische Welten' in der Rezeptionsebene der Klangkunst erweitern kann". Was sich hinter diesem etwas pompös klingenden Anspruch verbergen muß, ist klar: "Prog-Rock", also die langhaarigen Erben von EMERSON, LAKE & PALMER, YES und TANGERINE DREAM. Als kurzgeschorener Außenstehender reibt man sich verwundert die Augen darüber, daß so viele Bands aus dieser Ecke die Punk-Bewegung der Siebziger, das Beat-Revival der Achtziger und die zeitgenössische Form der Synthie-Musik, also House, Techno usw., überlebt haben. Wäre man Zyniker, würde man sagen: Unkraut vergeht eben nicht.

Thomas stellt größtenteils unbekannte Musiker vor, die auf kleinen Indie-Labels veröffentlichen. In irgendwelchen Charts spielen die Prog-Rocker ja ohnehin seit Jahrzehnten keine Rolle mehr. Außerdem präsentiert er in seiner Nullnummer ein Interview mit dem Sänger der deutschen Band PAYNE'S GRAY, die von Lovecraft inspiriert wird, sowie mit dem Bassisten der schwedischen Gruppe RITUAL. Falls jemand diese beiden Gruppen kennt, wird er die Interviews sicher mit Interesse legen. Alle anderen können damit naturgemäß wenig anfangen.

Außerdem findet sich ein Report über das 5. Wave-Gotik-Treffen in Leipzig, ein Artikel über die Musik von Christian Dörge und - in der "Classic Corner" - eine Würdigung des ELECTRIC LIGHT ORCHESTRA, der einzigen besprochenen Band, die mir was sagt und die sich sogar manche Leute mit ausrasiertem Nacken freiwillig anhören.

Lobend - bei allem persönlichen Widerwillen dieser reichlich überholten Form von Musik gegenüber - sei hervorgehoben, daß Thomas eine Plattform für eine Musikform geschaffen hat, die von der Öffentlichkeit ignoriert wird. Er bespricht die CDs mit der sorgfältigen Liebe eines wahren Fans, der sich in dieser Szene bestens auskennt. Erfahrungsgemäß wird er mit seiner neuen Reihe unter den typischen SF-Fans auch auf etliche Interessenten stoßen.

Joachim Stahl

Leinfelden


Der FANZINE-KURIER erscheint in der EDITION WHISPERING TIMES.

Herausgabe, Redaktion und Vertrieb:

Armin Möhle
Eibenweg 18
49134 Wallenhorst.

Preise: Einzelexemplar 1,20 DM, Jahresabonnement (6 Ausgaben) 6,00 DM (in Briefmarken oder als Verrechnungsscheck).

Mitarbeiter dieser Ausgabe: Dirk van den Boom, Siegfried Breuer, Holger Marks, Clemens Nissen s. ps., Irene Salzmann, Thomas Schmitz, Joachim Stahl.

Auflage: 70 Exemplare. 

Für Rezensionsexemplare sind wir stets sehr dankbar!


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